Eine Bäckerei aus den 1920er-Jahren wurde zu einem intimen Restaurant mit knapp 15 Sitzplätzen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Eine schöne Schnitte exakt gebratener Entenbrust mit zart knusprigem Fettrand.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Karte hat nur vier Positionen: Vorspeise, Zwischengericht, Hauptgang, Dessert. Also gut, Käse, in bemerkenswert gut zusammengestellter Auswahl reifer und würziger Franzosen, Italiener und Schweizer, kann man zusätzlich ordern, das war es aber auch schon. Wer das als gar schlankes Angebot empfindet, mag vielleicht recht haben, würde aber ein besonders charmantes Restaurant versäumen.

Das Kommod von Christina Unteregger und Lebenspartner Stephan Stahl ist nämlich ein Schmuckkästchen von einem Lokal, nicht nur wegen der Einrichtung: Der intime Raum ist an drei Seiten von patinierter, mit Intarsien versehener Holztäfelung aus den 1920er-Jahren eingefasst; die Beleuchtung hebt die kleinen Zweiertische wie Podeste aus dem ansonsten schummrigen Ambiente; die knapp 15 Gäste, die hier Platz finden, umsorgt Christina Unteregger, während Stephan Stahl sie bekocht – Mitarbeiter werden weder in der Küche noch im Service beschäftigt.

Tagebuch-Menü

Dass dies auf so harmonische, geradezu intime Weise vonstattengeht, könnte damit zu tun haben, dass die beiden sich in einem der allerbesten Restaurants des Landes kennengelernt haben, bei Rudi und Karl Obauer in Werfen.

Die Holztäfelung stammt ebenso wie die bemerkenswerte Sgraffitofassade noch aus der Zeit der Bäckerei, die ist lange her, zuletzt war hier schon über Jahre ein russisch-ukrainisches Restaurant drin.

Die Speisekarte wird als eine Art Tagebuch präsentiert, jeder Abend hat seinen eigenen Eintrag, sein eigenes Programm. Wer ein wenig zurückblättert, bemerkt aber schnell, dass sich das Angebot über Wochen nur in Nuancen ändert.

Stahl ist bewusst, dass dies der Idee, die mit der Reduktion des Angebots einerseits, erst recht aber mit so einer Form der Präsentation einhergeht, fundamental widerspricht. Die beiden seien aber von den vielen Pflichten als Jungunternehmer so gefordert, dass der Mut zu mehr Spontaneität beim Angebot noch gezügelt werden müsse – damit beim Essen alles richtig sitze.

Leber! Alkohol!

Das tut es auch. Vornweg gibt es jiddische Hühnerleber, feinst passierte Lebercreme von der hochgeistig beschwingten Sorte – und auf eine Art köstlich, die als noch suchtgefährdender als der reichlich zum Einsatz gekommene Edelalkohol klassifiziert werden muss. Dann Wildkräutersalat mit dicken Tranchen vom sanft gebeizten Lachs mit unerhört fruchtigem Senfdressing und einer Fülle an Kräutern, die ihre mal parfümierten, dann wieder adstringierenden Essenzen bei jedem Bissen mit neuen Nuancen freisetzen – sehr gut.

Bärlauchgnocchi mit zartem Biss sind ob der Intensität des Stinkekrauts ein mutiges Statement, dazu gibt es fleischige, dezidiert mineralische Weinbergschnecken und ein paar Nocken Ziegenfrischkäse – kraftvolle Aromen, die auf virtuose Weise in ein Gleichgewicht finden.

Am besten ist wohl das Hauptgericht (siehe Bild), eine schöne Schnitte exakt gebratener (und nicht etwa im Vakuumbeutel zu Tode geschmeichelter) Entenbrust mit zart knusprigem Fettrand. Dazu gibt es geschmorten Chicorée und eingerexte Mispeln, wieder ein gelungener Kontrast aus Süßem und Bitterem, und einen knappen, hocharomatischen Bratensaft, der die Elemente auf straffe Art zusammenführt.

Das Dessert, Rhabarbertörtchen mit Vanilleeis, wirkte da vergleichsweise mutlos, wenn auch sehr gefällig. Ein bisschen weniger Ängstlichkeit vor dem, was sie eigentlich mit ihrem Lokal wollen, möchte man den beiden wünschen – voll ausgelastet ist die kleine Bude eh schon. (Severin Corti, RONDO, 29.4.2016)