Innsbruck – Und schon wieder fliegt einem ein Stern um die Ohren. Galaxien kollidieren gerade. Zwei rote Kreise, die mit ganz vielen gelben Punkten gefüllt sind, steuern aufeinander zu, verschmelzen miteinander und trennen sich wieder in zwei eigenständige Zirkel – alles 3-D. Oder fast. "Das wirklich Erstaunliche ist", murmelt ein Astrophysiker möglichst wenig erstaunt, "die Sterne fliegen zwar alle durcheinander, sie treffen sich aber fast nie".

Die Besucher sind gebannt, zwei Buben mit zu großen Brillen versuchen, einen 3-D-animierten Stern zu fangen. Astro-Kino nennt sich das. Es wird bei der Langen Nacht der Forschung am Campus Technik in Innsbruck empfohlen, wenn man nach einem ausführlichen Gespräch über das Higgs-Boson dringend nach "etwas Leichtem" sucht.

Im darauffolgenden Saal kann man sich von einer freundlichen Informatikerin durchaus faszinierende Details zum recht trocken anmutenden Thema "Empfehlungssysteme" erklären lassen. Sie hat dafür drei Einkaufswägen aufgestellt, die mit teils verschiedenen, teils gleichen Lebensmitteln gefüllt sind. Ihre Station findet sich inmitten der Roboter-Sektion, weshalb sie es schwer hat, die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich und ihr Projekt zu lenken.

Virtuelle Schnittmenge

"Jeder, der schon online eingekauft hat, kennt doch den Satz 'Kunden, die Ihr Produkt gekauft haben, kauften auch dieses und jenes', oder?" Eine rhetorische Frage. Dem Einkaufenden würden dann jene Produkte empfohlen, die andere mit ähnlichem Kaufverhalten – also einer möglichst großen Schnittmenge im Einkaufswagen – erworben hatten. "In diesem Beispiel ist das noch recht banal", gibt die Forscherin zu. Sie befasse sich aber hauptsächlich mit Empfehlungssystemen für Musik. Da wird das dann schon ganz schön komplex.

Für Musikempfehlungen würden Lieder in ihre Einzelteile zerlegt. Dann gehe es darum, möglichst viel über den Hörer und seine Gewohnheiten herauszufinden. Zum Beispiel via Microblogging-Dienst Twitter. Wer etwa mit dem angeblich verbreiteten Hashtag "#nowplaying" teilt, was er gerade hört, gibt etwas über seine musikalischen Vorlieben preis. "Super ist für uns natürlich, wenn die Person das noch mit einer Emotion verbindet." Durch eine zusätzliche Verknüpfung mit Begriffen wie "#sad" oder "#happy".

Ziel des aktuellen Forschungsprojekts des Instituts für Informatik der Universität Innsbruck sei es, daraus möglichst treffsicher zu berechnen, welche Art von Musik ein Nutzer zu welcher Tageszeit und Gemütslage gerne hören möchte – und ihm diese folglich auch anzubieten.

Wen es da ob des Datenschutzes gruselt, kann die Wissenschafterin zwar nicht beruhigen, doch verstehen: "Die Personalisierung hat natürlich einige Schattenseiten", sagt sie. Richtig problematisch wird es ihrer Ansicht nach, wenn es um Empfehlungen von journalistischen Artikeln geht. "Lebt man zum Beispiel in den USA und ist Demokrat, wird man durch sein Suchverhalten schließlich immer häufiger prodemokratische Inhalte vorgeschlagen bekommen." Die eigene Sicht auf die Welt verändere also das, was man über die Welt zu lesen bekommt – sie werde in der persönlichen Wahrnehmung immer mehr so, wie man sie gerne hätte, erklärt die Informatikerin.

Dann besser doch noch schnell die eigene Atemluft testen lassen. Mitarbeiter des Instituts für Ionenphysik bieten auf ihrer Station an, dass man zuerst ein Zuckerl lutscht und dann in einen Schlauch bläst – die Forscher können durch die im Atem enthaltenen Aromastoffe die Geschmacksrichtung des Bonbons bestimmen. Doch Obacht, liebe Jugendliche: Die finden dabei auch heraus, ob man innerhalb der vergangenen sieben Tage geraucht hat.(Katharina Mittelstaedt, 27.4.2016)