Wien – Amir A. sitzt mit hängenden Schultern vor dem Schöffensenat unter Vorsitz von Norbert Gerstberger. Ihm bleibt wenig anderes übrig, ist doch die Anklage monströs: Der 20-Jährige soll im Dezember in einem Hallenbad einen Zehnjährigen vergewaltigt haben. Da er seit vier Monaten keinen Sex gehabt hat, wie der Flüchtling aus dem Irak bei der Polizei noch ausgesagt hat.

Das Interesse an der Verhandlung ist groß, auch wenn schon zu Beginn klar ist, dass zum Schutz des Opfers die Öffentlichkeit während der Schilderung der Tat durch den Angeklagten und der Vorführung des Videos der Befragung des Buben ausgeschlossen wird.

Verteidiger Roland Kier gibt schon zu Beginn bekannt, dass sich sein Mandant schuldig bekennen wird. A. erzählt dem Gericht zunächst über seine Herkunft. Im Irak hat er als Taxifahrer gearbeitet, im September 2013 heiratete er, bald danach kam ein Kind.

Wirtschaftliche Fluchtgründe

Im August 2015 habe er sich "innerhalb von einer Woche entschieden, den Irak zu verlassen", erklärt er Gerstberger. Seine Motivation: "Ich wollte eine Zukunft aufbauen für mich und meine Familie." – "Wirtschaftliche Gründe also", bemerkte Richter Gerstberger. – "Ja. Es gibt auch Krieg im Irak. Da kann man nichts schaffen."

Dass es sich bei dem 20-Jährigen nicht unbedingt um einen bettelarmen Flüchtling gehandelt haben dürfte, zeigt sich an der Art und Weise seiner Flucht. Der Sohn eines Geschäftsmanns buchte einfach einen Flug von Bagdad nach Istanbul, gelangte mit einem Schiff von der Türkei nach Griechenland, ließ sich in ein Flüchtlingslager chauffieren und schloss sich dann dem Menschenstrom Richtung Norden an. "Sieben Tage hat die Reise gedauert", erklärt er dem Senat. An der ungarisch-österreichischen Grenze seien zwar Polizisten gestanden, "aber die haben uns gewunken, dass wir weiterkönnen".

Offener Asylantrag

Reiseziel des jungen Irakers war eigentlich Schweden: "Dort habe ich Freunde." Er habe es allerdings nur bis Hamburg geschafft: "Es ist mir nicht gelungen weiterzukommen." Also sei er über München wieder zurück nach Wien gereist: "Es hat mir gut gefallen hier in Österreich." Über seinen Asylantrag sei noch nicht entschieden, berichtet A. abschließend: "Ich will meine Frau und meine Tochter nachkommen lassen."

Ob die noch mit ihm zu tun haben wollen, bleibt offen. Laut Anklage war er mit einem Freund am 2. Dezember im Theresienbad in Wien-Meidling. Dort soll er sein zehnjähriges Opfer an der Hand gepackt, in ein WC gedrängt und dort vergewaltigt haben. Vor seiner Aussage dazu wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen.

Wider erwarten fällt der Senat an diesem Tag aber kein Urteil. Der Prozess wird auf unbestimmte Zeit vertagt, die Rechtsvertreterin des Buben beantragt ein Gutachten über die psychischen Folgen des Vorfalls. Denn das Kind soll an einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung leiden – wodurch sich der Strafrahmen von zehn auf 15 Jahre erhöhen würde. (APA, moe, 26.4.2016)