Wien – Manche Angeklagte müssen entweder begnadete Schauspieler sein – oder wirklich reumütig. Mario G. macht vor Richterin Doris Reifenauer definitiv zweiteren Eindruck. Mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern gesteht er alle Anklagepunkte – obgleich er sich an die Taten kaum erinnern kann.

Die Liste der Delikte ist lang: versuchter Widerstand gegen die Staatsgewalt, gewerbsmäßige Diebstähle in Geschäften, Körperverletzung und Nötigung. Der unbescholtene 22-Jährige bittet gleich zu Beginn dazu um Verzeihung. "Ich bin chronischer Alkoholiker. Es kann schon alles so gewesen sein."

Tunfisch, Schokolade und Chips

Die Serie beginnt im Spätsommer 2015. Als Schwerkriminalität kann man das zu diesem Zeitpunkt kaum bezeichnen. Er wankt betrunken in Supermärkte und steckt Lebensmittel ein. Eine Dose Cola hier, Tunfisch, Schokolade und Chips dort. Immer wieder wird er erwischt. "Er ist mir gleich aufgefallen, er ist getorkelt und gegen Regale gestoßen", beschreibt es ein Detektiv.

Auch der Detektiv ist in den Anklagepunkt wegen des Widerstands involviert. Nachdem G. in dem Supermarkt die Cola-Dose im Wert von etwas mehr als zwei Euro gestohlen hatte, warteten Täter und Detektiv auf die Polizei. Als diese kam und den Angeklagten auf die Inspektion mitnehmen wollte, da er keinen Ausweis dabei hatte, wurde er aggressiv. Wirklich attackiert hat er die Beamten nach deren Darstellung aber nicht.

Ab Dezember ändert sich dann aber das Tatbild, wie ihm die Richterin vorhält. "Bis dahin glaube ich ja noch, dass Sie die Sachen für sich selbst wollten. Aber dann haben Sie auch Kopfhörer, Lautsprecher und Parfums gestohlen." – "Ich kann nicht mehr sagen, was ich damit machen wollte. Wahrscheinlich verkaufen", gibt der Angeklagte zu.

Faustschlag auf dem Praterstern

Ein anderer Vorfall ereignete sich auf dem Praterstern. G. wollte von einem Brüderpaar Zigaretten. Die jungen Männer wollten ihm keine geben, er nahm sich das Packerl, das auf der Bank lag. Es kam zu einer Auseinandersetzung, einem der Kontrahenten schlug G. mit der Faust ins Gesicht. Zusätzlich nahm er einen Schlüssel zwischen die Finger, machte Stichbewegungen und bedrohte die Gegner mit dem Umbringen.

Eine Entzugstherapie hat der Mittellose schon einmal gemacht. "Im Anton-Proksch-Institut. Aber ich wurde hinausgeschmissen, nachdem ich einmal betrunken erschienen bin", sagt er leise. Mit einer gerichtlichen Weisung, eine neue Therapie zu beginnen, ist er einverstanden. "Ich hoffe, ich werde genug Zeit haben, um meinen Kopf wieder in Ordnung zu bringen."

Reifenauer spricht ihn schließlich im Sinne der Anklage schuldig. Bei einem Strafrahmen bis zu drei Jahren erhält er rechtskräftig neun Monate Haft, davon sechs bedingt. Auch die Weisung für den Entzug erteilt sie ihm. "Danke", sagt der Angeklagte. (Michael Möseneder, 25.4.2016)