Es ist schon eine ganz besondere Ecke eines Ortes, dem es an besonderen Ecken nun wirklich nicht gebricht. Schräg gegenüber: das Grand Hotel Palace, man kann sich gut vorstellen, dass Hans Dichand hier gern abgestiegen ist. Der Night Club La Perla gleich gegenüber im schrägen, in die Jahre gekommenen Gebäudekomplex (ich würde sagen: zwischen Art Deco und Aberwitz), gleich hinter dem schönen Elisabeth-Park mit dem äußerst angenehmen Parkcafé.

Wo sind wir? In Meran, in der Plankensteiner Straße 5, im 357. In einer relativ neuen Pizzeria. Aber warum das denn?

Sissi geschlossen

Nein, man muss wirklich nicht nach Südtirol fahren, um Pizza zu essen. Aber wenn man schon einmal da ist... Und wenn ein Lokal mit dem – gerade auch hier aufgelegten – Namen Sissi gerade nicht offen hat (nein, die Öffnungszeiten hat Sissi tatsächlich nicht auf ihrer etwas in die Jahre gekommenen Website). Und wenn der Sissi-Boss Andrea Fenoglio gerade ziemlich neu einen Fladenladen in Meran aufgemacht hat. Dann kann man doch vorbeischauen, oder? Wir jedenfalls können.

Pizza in Südtirol

Der zumindest grundgebriefte Foodie sucht naturgemäß auch in einer Südtiroler Pizzeria die Authentizität. Und er, also ich, findet zum Beispiel in der Karte: "Speck Gourmet mit Crockies Südtirol" (5 Euro). Grundsätzlich nicht falsch, grundgut, aber auch kein Höhepunkt der Gastronomie zwischen Nals und Napoli.

"Speck Gourmet mit Crockies Südtirol" in Tapa-Klassiker-Nachbau-New-York-Times.
Foto: Harald Fidler

Burrata, Burrata!

Die mir angetraute Wunderbare kümmert sich vernünftigerweise nicht weiter um Lokalkolorit, wenn sie schon in Meran in eine Pizzeria muss, und ordert gleich eine Burrata mit Paprika und Oliven (10 Euro). Sie bekommt ein grundvernünftiges Exemplar aus diesem Genre. Auch nicht spektakulär, aber solid, übrigens ein "anderer Gang", den ich eher bei den Hauptspeisen verortet hätte – aber mir kann ja kein Gang zu groß sein.

Burrata mit Paprika und Oliven.
Foto: Harald Fidler

Noch einmal "Südtirol Pur"

Ich lasse nicht locker. Also, aus der 357-Rubrik "Pizza Spezial": "Prosciutto Cotto selezione Südtirol Pur", in der Karte versal und also groß geschrieben und mit 13 Euro ausgepreist. Schön, dass man hier Südtirol und Pur (wie fast alles andere in der Karte) groß schreibt. Die Pizza als solche: weit oben in meinem persönlichen Ranking, aber eben nur weit oben.

Selezione Südtirol Pur, Sektion Kochschinken.
Foto: Harald Fidler

Margherita, meine Liebe

Meine Liebe gegenüber entscheidet sich für einen Klassiker – der Flade, nicht unbedingt Südtirols – für die Margherita (7,50 Euro). Eine solide Vertreterin ihrer Art, gar nicht aufregend, aber Aufregung ist nun auch nicht die Art der Margherita.

Die Margherita von gegenüber.
Foto: Harald Fidler

Eher dünn Boden und Rand der Fladen hier, aber das irritiert mich auch nach meinen (nicht mehr ganz frischen) neapolitanischen Erfahrungen nicht weiter. Ich mag' dennoch die etwas Luftig-Üppigeren, zum Beispiel im Riva oder auch in deren gerade neu eröffneter Wiedener Schwester namens Favorita.

Was wir alle schon wussten: Man muss nicht nach Südtirol fahren für eine Pizza. Aber wenn man schon einmal da ist, ist das 357 – schon wegen der großartigen Obsorge der ebenso großartigen Maria Antonietta Stamandinoli! – nicht die schlechteste Idee.

Vielleicht noch etwas bessere Ideen – oder zumindest erprobenswerte – gibt es in den nächsten Wochen in diesem kleinen, dreckigen Gastroblog. Zum Beispiel ein paar qualifizierte Vermutungen, warum wohl Andrea Fenoglios Sissi in Meran auf Tripadvisor so großartig abschneidet. Ich sage nur: "Hall of Fame" – aber hallo(f)! Nein: Dass Fenoglio einst im Piemont geboren wurde, zählt nicht zu diesen Vermutungen. (Harald Fidler 26.4.2016)