Can Dündar (mitte), der Chefredakteur der türkischen Zeitung "Cumhuriyet", am Freitag beim Verlassen des Gerichtsgebäudes in Istanbul.

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Istanbul/Athen – In der Früh die Journalisten, am Nachmittag die Hochschullehrer: Im größten Justizpalast von Istanbul ging am Freitag der dritte Verhandlungstag gegen den Chefredakteur und den Ankara-Bürochef der türkischen Tageszeitung "Cumhuriyet" vonstatten. Ihnen droht wegen Verfassens eines Artikels lebenslange Haft. Anschließend begann der erste Prozess gegen 1.200 Unterzeichner eines Friedensaufrufs. Vier inhaftierte Dozenten, die im Jänner ihre Unterschrift unter die Petition "Akademiker für den Frieden" gesetzt hatten, traten vor den Richter.

Die Verhandlung gegen die Journalisten Can Dündar und Erdem Gül fand nunmehr unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Bei dem Prozess geht es um einen Artikel über einen mutmaßlichen Waffentransport des türkischen Staates an Rebellen in Syrien. Der Lkw-Konvoi fuhr im Jänner 2014 Richtung syrische Grenze und wurde von Mitarbeitern des türkischen Geheimdienstes eskortiert. Gestoppt hat den Transport aber die türkische Gendarmerie. Sie filmte auch die Ladung. Gegen die Polizisten und den Staatsanwalt, der die Durchsuchung anordnete, läuft ebenfalls ein Verfahren. Die Vereinigung dieses Prozesses mit dem der Journalisten lehnte das Gericht am Freitag ab.

EU-Diplomaten beobachten

Zum Prozessauftakt gegen Dündar und Gül im März kamen der deutsche Botschafter und die Generalkonsule von Großbritannien, Frankreich, Italien, Polen, der Schweiz und Kanada. Sie wurden von der türkischen Regierung dafür zurechtgewiesen. Österreich hielt sich heraus. Auch den Prozessbeginn gegen die Akademiker sollen Diplomaten aus EU-Staaten beobachtet haben. (Markus Bernath, 22.4.2016)