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Galt das Nullzinsumfeld schon zuvor als förderlich für den Goldpreis, könnte eine Abkühlung der US-Konjunktur für zusätzliche Nachfrage sorgen.

Foto: Thomas Kienzle

Wien – Im ersten Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende gab es kaum ein besseres Investment als Gold. Bei knapp über 1.900 US-Dollar war im August 2011 die Party nach mehr als zehn Jahren plötzlich zu Ende. Hätten sich Anleger zu Beginn des neuen Jahrhunderts mit Gold eingedeckt, wäre ihr Einsatz währenddessen auf mehr als das Siebenfache angewachsen. Es folgte eine mehrjährige, schmerzhafte Korrektur – für deren Ende sich die Anzeichen zuletzt gemehrt haben.

Denn heuer hat das Edelmetall ein unerwartet starkes Lebenszeichen von sich gegeben und seit Jahresbeginn um mehr als zehn Prozent zugelegt. Die dänische Saxo Bank führt das darauf zurück, dass kurzfristig orientierte Hedgefonds frühere Rekordwetten auf fallende Kurse innerhalb von nur 13 Monaten nicht nur abgebaut hätten, sondern wieder auf höhere Kurse setzen würden.

Doch seit März kommt das Edelmetall weder wesentlich voran, noch korrigiert es nach unten. "Die Rallye, die im stärksten Jahresauftakt seit Jahrzehnten mündete, ist vorerst gestoppt", kommentiert Saxo-Rohstoffexperte Ole Hansen. Dies habe die Aufmerksamkeit der Edelmetallinvestoren auf des Goldes kleinen Bruder gelenkt. Mit leichter zeitlicher Verzögerung ist nämlich auch Silber langsam wieder aus den Kurstiefen emporgeklettert.

Strohfeuer oder Trendwende

Das World Gold Council sieht im derzeitigen Nullzinsumfeld ein langfristig günstiges Umfeld für Edelmetalle, das zu einer strukturell höheren Nachfrage nach Gold seitens der Notenbanken und der Investoren führen sollte. Angesichts tiefer bis sogar negativer Renditen bei Anleihen ist gemäß der in London ansässigen Organisation Gold wesentlich effektiver, um Risiken zu senken und um das Investmentportfolio zu streuen: "Analysen legen nahe, dass bei solchen Rahmenbedingungen der Goldanteil in Portfolios mehr als doppelt so hoch sein sollte als im langfristigen Durchschnitt."

Genau das Gegenteil sei jedoch in den vergangenen Jahren während der Preistalfahrt geschehen, hebt Ronald Stöferle vom Vermögensverwalter Incrementum hervor: Die Investoren hätten ihren Goldanteil, der in der Spitze zwischen fünf und 15 Prozent gelegen sei, "massiv heruntergefahren". "Jetzt hoffen sie auf eine Preiskorrektur, um Positionen aufbauen zu können – aber Gold korrigiert einfach nicht", sagt der frühere Analyst der Erste Bank. Und genau diese Investmentnachfrage hält Stöferle für entscheidend für den Goldpreis, da sich jene der Industrie und der Notenbanken eher stabil und vorhersehbar entwickeln würden.

Wirtschaftliche Abkühlung in USA

Ausgehend von einer erwarteten wirtschaftlichen Abkühlung in den USA, die er unter anderem von sinkenden Unternehmensgewinnen und -umsätzen ableitet, erwartet Stöferle, dass US-Notenbankchefin Janet Yellen die Zinsen nicht weiter erhöhen werde: "Ich glaube, die Märkte haben das Vertrauen in Yellen wegen ihrer konfusen Kommunikationspolitik schon verloren."

Vielmehr geht der Goldexperte davon aus, dass nach Japan und Europa künftig auch die US-Notenbank Negativzinsen einführen wird, um der Wirtschaft über den Exportsektor zumindest kurzfristig einen Vorteil zu verleihen – freilich auf Kosten anderer Wirtschaftsräume. "Wir befinden uns in einem Währungskrieg", meint Stöferle. Daraus werde vor allem Gold als Gewinner hervorgehen.

Comeback der Inflation

Zudem glaubt er an bald wieder höhere Inflationsraten, da die Teuerung künftig nicht mehr durch stetig sinkende Rohstoffpreise tief gehalten werde, womit sich die Attraktivität der unverzinsten Edelmetalle Gold und Silber sogar weiter erhöhen würde, sollte der reale, inflationsbereinigte Zins tatsächlich noch weiter unter null rutschen.

"Wir befinden uns in einem Bullenmarkt, und die Korrekturphase ist beendet", glaubt Stöferle an langfristig höhere Goldpreise: "Jetzt sitzen alle auf einer Seite des Bootes und es ist ein langer Prozess, bis sie auf die andere Seite gewechselt sein werden." Bis Mitte 2018 erwartet er einen Anstieg auf ein neues Rekordhoch bei rund 2300 Dollar. Was diese Prognose erschüttern würde? "Ein nachhaltig positiver Realzins." (Alexander Hahn, 26.4.2016)