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Hier wird zusammengeschraubt, so dramatisch wird es wohl nicht kommen.

Foto: AP/Weißbrod

Berlin – Der Diesel-Abgasskandal bei Volkswagen zieht eine beispiellose Rückrufaktion von Autoherstellern wegen hoher Abgaswerte nach sich. Die deutschen Hersteller Audi, Porsche, Mercedes, Volkswagen und Opel wollten freiwillig in diesem Jahr rund 630.000 Fahrzeuge zurückrufen, um eine Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung zu ändern, erklärte ein Regierungsvertreter am Freitag in Berlin.

Die meisten betroffenen Fahrzeuge sollten noch im Sommer umgerüstet werden. Die Autobauer ziehen damit die Konsequenz aus den Prüfergebnissen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA), die der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt am Nachmittag vorstellte.

Grund sei eine erforderliche Änderung der Abschaltvorrichtungen für die Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen. Bei Tests des Kraftfahrtbundesamtes seien keine Fahrzeuge mit illegaler Software entdeckt worden, wie sie bei VW verwandt worden war.

Die verwendeten Abschaltvorrichtungen seien nach EU-Vorgaben möglich, ergänzte der Minister. Es gebe aber Zweifel in der Untersuchungskommission, ob diese Vorrichtungen zum Schutz von Bauteilen tatsächlich notwendig seien.

Größter Verlust der Firmengeschichte

Volkswagen hat im vergangenen Jahr mit 5,5 Milliarden Euro den größten Verlust der Firmengeschichte eingefahren. Das teilte der Konzern am Freitag im Anschluss an eine Aufsichtsratssitzung in Wolfsburg mit.

VW erwartet aber schwarze Zahlen

Vom Umsatz sollen 5 bis 6 Prozent als operativer Gewinn (vor Zinsen und Steuern) übrig bleiben. Das heißt: VW erwartet wieder schwarze Zahlen, nachdem es für 2015 vor Zinsen und Steuern gut 4 Milliarden Euro Verlust gegeben hatte. Die Fahrzeugverkäufe des Zwölf-Marken-Konzerns sollen auf Vorjahresniveau liegen – also bei knapp 10 Millionen Stück.

"Thermofenster" genutzt

Bei den knapp 60 getesteten Wagen aller Hersteller sei zwar keine illegale Software gefunden worden. Aber es würden "Thermofenster" genutzt – eine Steuerung, die bei niedrigen Außentemperaturen die Abgasreinigung herunterfährt, damit der Motor keinen Schaden nehme. Bei manchen Modellen habe dies bereits bei einer Außentemperatur von 18 Grad begonnen, hieß es. Dieses Fenster werde von allen Herstellern mehr oder weniger ausgenutzt.

Über diese Technik hatte zuvor etwa Mercedes-Benz informiert als Begründung für höhere Diesel-Abgaswerte im Straßenbetrieb. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte die hohen Werte bei Mercedes, aber auch bei Opel und Renault angeprangert. Daimler hatte hingegen betont, dies sei von einer Ausnahmeregel im EU-Recht gedeckt. Das sieht dem Regierungsvertreter zufolge auch die Abgas-Untersuchungskommission der Bundesregierung so. Doch hätten die Experten Zweifel, ob die Technik zum Bauteilschutz wirklich in allen Fällen notwendig sei. Die Bundesregierung wolle nun auf eine Klarstellung im EU-Recht hinwirken. Die Typgenehmigung des KBA soll außerdem verschärft werden. Die Hersteller müssen künftig erklären, ob und warum sie das "Thermofenster" nutzen und dies ausführlich begründen. Das KBA werde dann weitere Tests vornehmen.

Kein Rückruf bei BMW

Auch ausländische Hersteller wie etwa Renault gaben Zusagen, die betroffenen Fahrzeuge zurückzurufen. Von den deutschen Herstellern waren die getesteten Fahrzeuge von BMW am saubersten. Hier sei kein Rückruf notwendig, hieß es weiter.

Seit Ausbruch des Diesel-Abgasskandals bei Volkswagen ist die bisher übliche Praxis, dass Emissionen auf der Straße viel höher sind als auf dem Prüfstand, stark in die Kritik gekommen. Die DUH und Daimler liefern sich seit Monaten öffentlich einen Schlagabtausch über die Abschalttechnik, die gleichwohl anders arbeitet als die illegale Manipulationssoftware von Volkswagen, die half, bei den für die Zulassung geforderten Testzyklus auszutricksen. Der Wolfsburger Konzern hat sich inzwischen mit den Behörden in den USA, wo der Skandal aufgedeckt wurde, auf einen umfangreichen Plan zur Bereinigung von einer halben Million betroffenen Diesel-Fahrzeugen verständigt. Weltweit wurde die Software in elf Millionen Fahrzeuge des Konzerns eingebaut. Der Rückruf in Europa lief schleppend an. (APA, 22.4.2016)