Wenigstens die Verlierer der Bundespräsidentenwahl stehen schon fest, ohne dass man dafür einen zweiten Wahlgang bräuchte. Die Regierungsparteien haben die Chance, diese Wahl zu einer Konsolidierung ihrer angeschlagenen Position zu nutzen, in ziemlich verantwortungsloser Weise vergeigt – erstens durch die Auswahl ihrer Kandidaten, zweitens durch die Lauheit, mit der sie sich in den letzten Wochen für sie in die Schlacht geworfen haben. Verantwortungslos deshalb, weil sie damit nicht nur die eigenen Kandidaten ab-, sondern auch zwei Kandidaten aufgewertet haben, deren einen man aufgrund seines äußerst rechten Hintergrunds fürchten sollte, deren andere den Mangel an Erfahrung in der Politik erst durch Learning by Doing in der Hofburg zu beheben gedenkt. Was in der gegenwärtigen politischen Situation keine beruhigende Aussicht wäre.

Stattdessen versuchten die Koalitionsparteien die Wahlchancen ihrer Kandidaten durch die Ersatzhandlung eines verschärften Kampfes gegen Flüchtlinge zu verbessern, erreichten damit aber das Gegenteil, weil sie diese damit zu Aussagen nötigten, die sich von denen des FPÖ-Kandidaten kaum noch unterschieden. Was diesem erlaubte, in salbungsvoller Sanftheit den Charakter zu kaschieren, den er in Veranstaltungen seiner Partei an den Tag legt, und sich dennoch allen Wählerinnen und Wählern als Staatsoberhaupt zu empfehlen, das gelegentlich mit der Pistole ins Büro kommt. Ein schießfreudiger Bundespräsident als Personifikation des staatlichen Gewaltmonopols und erster Sicherheitsbürger des Landes – wenn das keine Wahlempfehlung ist, die sich nahtlos an die Politik der Regierung in Zeiten wie diesen schmiegt, was ist es sonst?

Die Folgen der Politik der Regierungsparteien wurden schon vor dem ersten Wahltag sichtbar in Form einer Erosion der jeweiligen Parteidisziplin, wie es das bisher noch nicht gegeben hat. Traditionelle Wähler von ÖVP-Kandidaten werden in nicht unbeträchtlicher Zahl zu Irmgard Griss überlaufen, SPÖ-Wähler zu Van der Bellen, das hat sich bereits mit der Nominierung abgezeichnet und war in einem müden Wahlkampf nicht mehr zu verändern.

Es ist kein Zufall, dass die früher bestenfalls rhetorisch gestellte Frage, ob und unter welchen Umständen ein Bundespräsident die Regierung entlassen könne, diesmal dominierte, wenn es um die Befugnisse des Staatsoberhaupts ging. Der Gedanke liegt, vielfach als Wunsch formuliert, in der Luft, und niemand hat mehr dazu beigetragen als die Regierungsparteien selbst. Die Funktion des Bundespräsidenten – wenn nicht noch ein Wunder geschieht – zum ersten Mal in der Geschichte der Zweiten Republik einem Außenseiterkandidaten überlassen zu müssen wird ihr Selbstverständnis verändern, und nichts deutet derzeit darauf hin, dass es eine Veränderung zum Besseren wäre.

Aber an einer solchen zu arbeiten, könnten sie Montag beginnen. Denn auch wenn es so gut wie sicher einen zweiten Wahlgang gibt, wird die Entscheidung übermorgen, Sonntag, fallen. Dann wird sich zeigen, was an Kraft noch in SPÖ und ÖVP steckt. Oder ob alles so weitergehen soll wie bisher – für kurze Zeit. (Günter Traxler, 21.4.2016)