Ein Handshake vor den Zweierkonfrontationen im ORF. Rudolf Hundstorfer geht eher als Außenseiter in die Wahl, Norbert Hofer werden gute Chancen auf eine Stichwahl eingeräumt.

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Wien – Mit Richard Lugner ließe sich richtig gut Geld verdienen. Zumindest theoretisch. Wenn er aus dem ersten Wahldurchgang am Sonntag als Sieger der Präsidentenwahl hervorgeht, bekommt man bei dem Wettanbieter Bet-at-home für einen Euro Wetteinsatz 800 Euro.

Als Favoriten gelten auch in den Wettbüros Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen (1,75 Euro für einen Euro) und der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer (1,9 Euro für einen Euro). Die unabhängige Kandidatin Irmgard Griss folgt schon mit Respektabstand (sechs zu eins). SPÖ-Vertreter Rudolf Hundstorfer (zehn zu eins) und ÖVP-Kandidat Andreas Khol (20 zu eins) gelten bereits als krasse Außenseiter.

Viele Spätentschlossene

Dabei ist in den letzten drei Tagen vor einer Wahl durchaus noch einiges zu holen, wie der Politikwissenschafter Peter Filzmaier im STANDARD-Gespräch betont. Sogar bei der letzten Bundespäsidentenwahl 2010, als Amtsinhaber Heinz Fischer de facto lange vor dem Urnengang als Sieger feststand (seine Herausforderer waren Barbara Rosenkranz und Rudolf Gehring), haben sechs Prozent der Wähler zu den Spätentschlossenen gezählt.

Im Schnitt legen sich rund zehn Prozent der Wähler erst in den letzten drei Tagen vor einer Wahl fest, erklärt Filzmaier. Da das Rennen diesmal wesentlich offener ist als 2010, kommt dem Wahlkampffinale also eine große Bedeutung zu.

Unentschlossene ansprechen

Die ORF-Elefantenrunde, die am Donnerstagabend über die Bühne geht, kann somit durchaus Einfluss auf die Entscheidung haben, ob jemand knapp Erster oder Zweiter wird oder eben knapp die Stichwahl verpasst.

Anzusprechen gilt es bei den großen TV-Runden laut Filzmaier weniger die Anhänger der politischen Konkurrenz. Wer schon einen Favoriten auserkoren hat, wird sich so knapp vor der Wahl nur mehr selten umentscheiden. Es gehe vielmehr darum, potenzielle Nichtwähler doch noch in die Wahlkabine zu bringen – und eben von der eigenen Kandidatur zu überzeugen.

Ein Beispiel: Bei der letzten Wahl lag die Wahlbeteiligung bei nur 54 Prozent. Da es heuer gleich sechs Kandidaten gibt, wird allgemein mit einer deutlich höheren Beteiligung gerechnet. Gelingt es beispielsweise, 80 statt 70 Prozent der Wahlberechtigten zu aktivieren, sind das 640.000 zusätzliche Stimmen, um die sich die Kandidaten matchen.

Folgeberichterstattung erreicht Millionen

Nicht unterschätzt werden dürfe auch die Folgeberichterstattung über die Elefantenrunde, ist Filzmaier überzeugt. Die Sendung werde vielleicht von einer Million Menschen gesehen. Über die Berichterstattung am Tag danach würden mehrere Millionen potenzielle Wähler erreicht.

Falls sich ein Kandidat oder die Kandidatin noch einen "echten Pfeil im Köcher" aufbehalten hat, also eine inhaltliche Botschaft, die bisher nicht kommuniziert wurde, sei es aber schon fast zu spät, meint Filzmaier. Um wirklich neue Akzente zu setzen, wären die Zweierkonfrontationen besser geeignet gewesen. Bis neue Botschaften Niederschlag finden, dauere es in der Regel mehr als drei Tage. Insofern gehe es im Finale primär um die Verstärkung der bisherigen Strategie – und eben um das Ansprechen möglicher Nichtwähler.

Filzmaier sieht "Trivialisierung" der TV-Berichterstattung

Eindeutig feststellbar war für Filzmaier heuer eine "Trivialisierung" der Wahlkampfberichterstattung im TV. Im ORF ging Hanno Settele mit den Kandidaten auf "Wahlfahrt". Er spielte ihnen Hymnen vor und ließ sie raten, zu welchem Land sie gehören, zeigte ihnen Frisuren und fragte nach den zugehörigen Gesichtern.

Puls 4 forderte die Kandidaten auf, Ja- oder Nein-Taferln hochzuhalten und so Antworten auf komplexe Fragen zu geben. Zudem ließ der Sender die Kandidaten im "Eignungstest" einen Witz erzählen und wollte wissen, welche Speisen sie bei Treffen mit ausländischen Staatsgästen essen würden. "Es hat gerade noch der Striptease gefehlt", so Filzmaier. (go, 21.4.2016)