Manchmal hat auch eine Modekolumne gute Nachrichten zu vermelden. Zum Beispiel jene, dass auf den Festivals nicht mehr alles ist, wie es mal war. Im letzten Jahr wurden auf dem Coachella, dem von der Modeindustrie wohl meist bebilderten Musik-Event, noch die Bäuche in die Sonne gereckt, die Bindis zwischen die Brauen geklebt und die Blumenkränze um den Hals gelegt. Jetzt sieht die Lage anders aus. Blumenkränze? Geschmackloser Hippiequatsch. Die Zeiten stehen gerade nicht nach sowas.
Ist ja irgendwie auch verständlich. Irgendwann einmal verkörperten die Brigitte Bardot und Gunther Sachs mit ihren Blumengehängen noch den smarten Jetset der Sechziger. Heute ist von dieser Attitüde nicht mehr viel übrig. Bunte Plastikkränze? Tausendmal gesehen. Sie verkörpern in Kombination mit verspiegelten Sonnenbrillen und nackten Bäuchen und zerrissenen Jeansshorts einfach nur noch eine Pest namens Coachella-Look. Nirgendwo sehen Prominente bekanntlich bescheuerter aus als da, wo sie sich anlaßbezogen aufmascherln.
Jetzt aber tut sich was. Es wird verstärkt in die Trickkiste der Neunziger Jahre gegriffen. Die meisten Festival-Besucher lieben die Mode von damals mittlerweile, weil sie sie nur noch aus dem Fotoalbum kennen.
2016 scheint also das Jahr zu sein, in dem die Haare teufelsgleich zu Hörnern aufgedreht wurden. Festival-Besucherinnen wie Kylie Jenner, Chiara Ferragni, Katy Perry machten ein bisschen auf Marusha. Die schmetterte damals "Somewhere over The Rainbow" mit grün gefärbten Brauen und auf dem Vorderkopf eingedrehten Haarknödeln. Kein Wunder, dass Kylie Jenner ihren Scheitel mit Goldstaub bestreute und sich während irgendeiner Pool Party gleich auch am Mischpult fotografieren ließ.
Vielleicht hätte sie es gleich so konsequent wie Björk anno 1993 angehen sollen. Sie performte damals für das Video von "Big Time Sensuality" in New York. Und drehte sich gleich alle ihre Haare ein.
Diese Frisur ist in letzter Zeit immer wieder bei Modelabels wie Valentino oder Marc Jacobs aufgetaucht, ihre Bezeichnung als "Mini Buns" wurde allerdings genauso häufig kritisiert. Die eingedrehten Haarschnecken seien keiner Erfindung weißer Designer, Marc Jacobs und Co verkauften bloß die Adaption der Bantuknoten, wie sie in Südafrika von Frauen traditionell getragen werden, als letzten Schrei, so der Vorwurf. Der Präsentation von Marc Jacobs jedenfalls folgten nicht nur Styling-Videos, sondern auch eine Protestwelle via Hashtag: #itaughtmarcjacobs.
Unverfänglicher sind da schon die Fetisch-Halsbänder, die sich die Stars um den Kropf banden. Das Revival der schmalen Halsbänder, die früher Magazinen wie Bravo oder Mädchen beigelegt wurden, sind hier schon in der Vergangenheit besprochen worden. Das Coachella, so scheints, hinkt wieder einmal ordentlich hinterher. (Anne Feldkamp, 19.4.2016)