Demonstranten protestieren in London gegen die Sozialpolitik und fordern den Rücktritt von Premier Cameron.

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London – Zehntausende Menschen haben am Samstag in London gegen die Sparpolitik des britischen Premierministers David Cameron demonstriert. Nach Schätzungen britischer Medien zogen rund 50.000 Demonstranten zum Trafalgar Square, die Polizei machte keine Angaben zur Teilnehmerzahl. Zu den Teilnehmern gehörten Anhänger der oppositionellen Labour-Partei, Gewerkschafter sowie Mitglieder der Friedensbewegung.

Bei der Kundgebung wurden auch Rufe nach einem Rücktritt des konservativen Regierungschefs laut, auf einigen Transparenten stand "Er muss gehen" zu lesen. "Der Kampf gegen die Austerität ist ein Kampf unserer Zeit", sagte die Labour-Politikerin Diane Abbott. Die Sparpolitik von Camerons Regierung bedrohe das britische Gesundheitssystem NHS, den Wohnungsbau der Kommunen und die Zukunft junger Menschen.

Nicht die erste Demonstrationen gegen Cameron

Gegen die Sparpolitik hatte es bereits im Oktober in Manchester und im Juni in London Demonstrationen mit zehntausenden Teilnehmern gegeben. Cameron hält seinen Kritikern entgegen, dass die britische Wirtschaft sich unter seiner Regierung gut entwickle. So habe es vergangenes Jahr ein Wirtschaftswachstum von 2,3 Prozent gegeben und die Arbeitslosenquote habe im Jänner bei 5,1 Prozent gelegen.

Vor knapp einem Monat hatte allerdings der Rücktritt von Arbeitsminister Iain Duncan Smith Differenzen innerhalb der regierenden Konservativen in der Sozialpolitik offenbart. Dabei ging es um Sparpläne, die Langzeit-Kranke und wöchentliche Unterstützungszahlungen für Behinderte betreffen sollten. Nach dem Rücktritt des Arbeitsministers kündigte Cameron einen Verzicht auf diese Einschnitte an.

Nicht das einzige Problem Camerons

Cameron steht auch wegen der bevorstehenden Volksabstimmung über einen möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU unter Druck, die am 24. Juni abgehalten wird. Der Premierminister müsste nach Ansicht seines Parteifreundes Kenneth Clarke im Falle eines beim Referendum beschlossenen EU-Austritts auf der Stelle zurücktreten. "Der Premierminister würde nicht 30 Sekunden im Amt bleiben, falls wir das Referendum verlieren", sagte Clarke, der unter Cameron, John Major und Margaret Thatcher Ministerämter bekleidete, am Samstag der BBC. Ein Amtsverbleib wäre "lächerlich".

Cameron hatte in dieser Woche die Absicht geäußert, selbst bei einem Votum seiner Landsleute für den EU-Austritt im Amt zu bleiben, um den Prozess des Austritts zu überwachen. Clarke sagte nun, bei einem Austrittsbeschluss der Bürger werde den Konservativen unausweichlich eine Führungskrise ins Haus stehen. Clarke selbst setzt sich ebenso wie Cameron für den Verbleib Großbritanniens in der EU ein.

Bevölkerung zerstritten über Referendum

Die britische Bevölkerung ist in der Frage tief zerstritten, ebenso wie die Konservative Partei. Etliche Minister aus Camerons Kabinett und rund ein Drittel der Parlamentarier setzen sich für den EU-Austritt ein.

Clarke warnte, die Konservativen seien derzeit "gefährlich nahe" an der Spaltung in den 1990er Jahren, in deren Folge sie zwischen 1997 und 2010 nicht mehr an die Regierung gelangten. Die Partei sei damals von einem "Bürgerkrieg" gezeichnet gewesen, sagte Clarke – "wir müssen das nicht wiederholen". (APA, AFP, 16.4.2016)