Wien – Unter dem Protest der roten Jugendorganisationen wurde der Landesparteitag der SPÖ Wien am Samstag eröffnet. "Gegen Verschärfungen im Asylrecht", stand auf den Transparenten, mit denen die SPÖ-Delegierten am Eingang zur Messe-Wien im Prater empfangen wurden. "Unsere Menschenrechte dürfen nicht außer Kraft gesetzt werden", sagte Raffaela Tschernitz, Vorsitzende des Verband sozialistischer Studentinnen und Studenten Wien (VSStÖ Wien).

SPÖ-Wien-Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler sieht die Diskussionen der vergangenen Woche als "Ringen um Positionen".
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Aber genau das würde mit dem aktuellen Gesetzesentwurf, "den Bundeskanzler Werner Faymann versucht, durchzubringen", passieren. "Die FPÖ ist momentan sehr ruhig", sagte Tschernitz. Sie vermutet, dass das daran liege, dass die von der SPÖ geführte Bundesregierung gerade ihre Forderungen durchsetzt", sagte Tschernitz zum STANDARD.

Delegierte verlassen Raum

Der weit aussagekräftigere Protest kam aber erst später. Einzelne Delegierte der Bezirke schilderten sich selbst von Beginn an mit gelben Stickern auf ihrer Kleidung als "Team Haltung" aus. Sie sprachen sich gegen die in einer Novelle des Asylgesetzes vorgesehenen Verschärfungen in der Flüchtlingspolitik aus. Als Bundeskanzler Werner Faymann schließlich die Bühne der in Rot gehüllten Halle erklomm, erhoben sich etwa 100 der Genossen und Genossinnen von ihren Plätzen. Sie formierten sich im hinteren Teil des Raumes oder verließen ihn gänzlich, um "Distanz zu Werner Faymann aufzubauen", hieß es.

Eva Maltschnig, Vorsitzende der Sektion 8 in Wien-Alsergrund, war eine der Protestierenden. Die Aktion erklärt sie als "das Gegenteil von Standing Ovations". Sie ist nicht einverstanden mit der "180-Grad-Drehung", die Faymann, im Vergleich zu der SPÖ Position von vergangenen Herbst, hingelegt hat. Österreich sei in der europaweiten Flüchtlingspolitik zum Teil des Problems und nicht der Lösung geworden. "Wer Grenzzäune am Brenner aufzieht, kann nicht behaupten, dass er für eine gemeinsame Lösung eintritt", sagte Maltschnig zum STANDARD.

Einstimmig zur Leitresolution

Faymann ignorierte den Protest gegen seine Person. "Wir haben die Ärmel aufgekrempelt und geholfen. Das ist euer Verdienst, das ist unser Verdienst", sagte Faymann in seiner Rede. Man habe in Wien jenen gesagt, die gefragt haben, warum man die Flüchtlinge aufnimmt, dass sie den Schutz benötigen. Explizit sprach Faymann die Floridsdorfer und Liesinger an, die mit ihren Anträgen zur Asylpolitik Diskussionen über Flüchtlingsunterkünfte mit eingebracht haben.

Volkshilfe-Chef Erich Fenninger ist strikt gegen die Möglichkeit mittels Notverordnungen das internationale Asylrecht außer Kraft zu setzen.
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Rund 50 Delegierte meldeten sich zu Wort, um auf Faymanns Rede zu reagieren und sich zum Asylgesetz zu äußern. Hauptsächlich waren das Positionierungen der einzelnen Personen. Die Leitresolution für eine gemeinsame Asyllinie der SPÖ Wien, die sich gegen Obergrenzen dezidiert ausspricht, wurde einstimmig angenommen.

Streit vorab

Den Protesten am Parteitag ging ein Schlagabtausch innerhalb der SPÖ voraus. In den vergangenen Tagen hatte sich die Wiener Partei bereits klar gegen Obergrenzen ausgesprochen. Der "Wiener Weg der Menschlichkeit" müsse beibehalten werden, hieß es. Faymann wurde vermehrt wegen der umstrittenen Novelle des Asylgesetzes kritisiert, die der Regierung die Möglichkeit einräumt, Notverordnungen wegen der Flüchtlingszahlen zu erlassen. Das Gesetz sollte erst sogar ohne Begutachtungsfrist im Innenausschuss gemeinsam mit dem "Asyl auf Zeit" durchgewunken werden.

Nach der Sektion Wien zogen andere SPÖ-Organisationen in den Bundesländern nach. Salzburg wollte lediglich das Gesetz in Begutachtung schicken, um einen reibungslosen demokratischen Ablauf zu garantieren. Diese bekamen sie schlussendlich auch – allerdings kürzer als gewöhnlich. Die Länder Tirol und Steiermark hingegen stellten sich klar auf die Wiener Seite.

Kein Streit in der SPÖ

Von einem innerparteilichen Zwist wollte Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler am Samstag jedoch nichts hören. "Es ist ein Ringen um Positionen", sagte er zum STANDARD. Auch Wiens Bürgermeister Michael Häupl war schlussendlich "glücklich" über den Ausgang des Parteitags: "Der heutige Tag hat bestätigt, wir sind eine diskussionsfreudige Gruppe, aber am Enge gibt es eine gemeinsame Linie und das ist gut so", sagte er kurz nach der Abstimmung der Asylresolution zum STANDARD.

Bundeskanzler Werner Faymann und Bürgermeister Michael Häupl verstanden sich am Parteitag der Wiener SPÖ nach Unstimmigkeiten im Vorfeld wieder besser.
Foto: Christian Fischer

Kritik übte der Bürgermeister jedoch am Protest der Bezirke. Es sei das falsche Signal den Raum zu verlassen und das Gespräch zu verweigern: "Der Bundesparteiobmann hat ein ausgezeichnetes Referat gehalten, ich verstehe nicht, warum man sich der Diskussion entzieht."

Häupl für Vorkehrungen

Die Kritik seiner Mitglieder in puncto Asylnovelle teilt Häupl nicht. Man müsste sich darauf vorbereiten, falls weitere hunderttausende Flüchtlinge nach Wien kämen. Allerdings gebe es momentan keine Anzeichen für eine Notlage, daher solle auch keine künstlich konstruiert werden. "Wir kommen in Wien mit den Ressourcen zurande", sagt Häupl und weist darauf hin, dass seine Stadt die bundesweite Flüchtlingsquote zu 117 Prozent erfülle. "Wenn wir nicht jammern, braucht sonst auch niemand jammern."

Während der Bosnien-Krise seien etwa 80.000 Flüchtlinge nach Wien gekommen. "Das hat man allerdings gemerkt. Das war sichtbar", sagt Häupl. Wenn man diese "Sichtbarkeit" in Kauf nehme, würde Wien wieder 80.000 schaffen. "Mir sind aber andere Argumente wichtiger als diese Zahlen. Etwa dass Wien seine hohe Integrationsleistung weiter halten kann", sagt er. Zudem müsse es zu einer europaweiten Lösung kommen, denn Österreich könne das Problem nicht alleine lösen. (Oona Kroisleitner, 16.4.2016)