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Flüchtlingskinder in der Schubhafteinrichtung Bělá-Jezová. In Tschechien haben im Vorjahr 1525 Menschen Asyl beantragt.

Foto: EPA / Filip Singer

STANDARD: Sie kritisieren die EU, weil sie keine Lösung für die Flüchtlingskrise habe. Was wäre denn Ihre Lösung?

Babiš: Man muss die Ursachen bekämpfen – in Syrien, im Irak und in Libyen. In Syrien muss es Frieden geben, auch um den Preis einer Militärintervention durch die USA, Russland, die EU, China. Viele, die vor dem Krieg geflohen sind, wollen wieder nach Hause. Wir brauchen in diesen Ländern stabile Verhältnisse. Wenn das gelingt, kann Europa eine Art Marshallplan entwickeln, europäische Firmen können sich am Wiederaufbau beteiligen.

STANDARD: Vorerst aber sind die Flüchtlinge Realität.

Babiš: Europa hat aber keine Antworten. Quoten zur Verteilung der Flüchtlinge sind Unsinn. Jeder Staat hat eine andere Migrationsgeschichte. In Tschechien haben wir Ukrainer, Vietnamesen, Slowaken. Brüssel kann uns nicht diktieren, wer bei uns leben darf und wem wir Arbeit geben sollen. Ukrainische Arbeitskräfte, auf die unsere Firmen hier oft ein halbes Jahr oder länger warten, brauchen an der Schengen-Außengrenze einen Pass. Gleichzeitig sind tausende Menschen, etwa aus Syrien, ohne Pass zu uns gekommen. Warum zählt ein Syrer für die EU mehr als ein Ukrainer? Auch in der Ukraine gibt es Krieg.

STANDARD: Wie aber kann Europa das Problem ohne Quoten in den Griff bekommen?

Babiš: Hotspots in Griechenland sind nur eine weitere Einladung für Flüchtlinge. Wer aus humanitären oder wirtschaftlichen Gründen Migranten aufnehmen will, soll sie außerhalb Europas auswählen. Wir müssen solidarisch sein, aber auch verantwortungsbewusst. Westeuropäische Politiker lügen, wenn sie sagen, dass die Einwanderer integriert sind. Sie sind eben nicht integriert. Sie leben in Enklaven wie Molenbeek. Manche meinen, wir sind unsolidarisch, und erklären, dass früher auch viele Tschechen Emigranten waren. Aber das waren die Eliten, und sie haben sich integriert.

STANDARD: Das könnte auf viele Syrer aber genauso zutreffen.

Babiš: Sicher, aber warum darf ein Syrer zu uns kommen und ein Ukrainer nicht? Ich habe nichts gegen andere Religionen. Ich habe fünf Jahre in Marokko gelebt und mich dort sehr wohl gefühlt. Aber ich habe mich nicht darüber beschwert, dass es in der Schule meiner Tochter kein Schweinefleisch gab. In Pariser Gymnasien wird jedoch verlangt, dass Schweinefleisch dort verboten werden soll. Wenn man in einem anderen Land ist, muss man sich an die dortige Kultur anpassen.

STANDARD: Am Brenner wird ein Zaun gebaut. Wären Grenzschließungen auch für Sie eine Lösung?

Babiš: Nein, wir müssen den Schengenraum schützen. Ich habe schon im August 2015 gesagt: Wozu haben wir die Nato? Da haben alle gesagt: "Der Babis ist verrückt geworden." Ich war mit dem Nato-Generalsekretär abendessen und habe ihn gefragt: Unser einziger Feind ist Russland? Glauben Sie, Putin ist so ein Narr, dass er die Nato überfällt? Da können Sie so lange warten wie auf Godot! Warum passt sich die Nato nicht an die realen Verhältnisse an? Es gibt einen größeren Feind, und das ist der "Islamische Staat" (IS), das ist der Terrorismus.

STANDARD: Welche gemeinsamen Konzepte sind für die EU möglich?

Babiš: Wir können nicht alle dieselbe Migrationspolitik machen. Wie soll man das vereinheitlichen? Es war sehr unglücklich, dass Tschechien und andere Länder auf Ebene der Innenminister bei der Quotenentscheidung überstimmt wurden. Zwei Wochen später gab es einen EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs, da war schon alles entschieden. Der Innenminister irgendeines Landes zählt mehr als der tschechische Premierminister? Was ist das für ein Blödsinn?

STANDARD: Damit ziehen Sie aber die Entscheidungsmechanismen der EU insgesamt in Zweifel.

Babiš: In Zweifel ziehen ... Natürlich ist es kompliziert, Kompromisse zu finden, doch auf die Verteilung von Flüchtlingen gäbe es furchtbar negative Reaktionen. Aber wir haben früher auch den Fehler gemacht, die EU allzu negativ zu sehen, und wir haben ausgediente Politiker nach Brüssel geschickt. Heute wollen wir aktiv sein, unsere Meinung sagen und Leute hinschicken, die uns keine Schande machen. (INTERVIEW: Gerald Schubert, 16.4.2016)