Stilistisch folgt auf Barock Klassizismus, angesagt sind klare Formen. Hauptsächlich wird man den Tiguan im Großstadtdschungel bewegen. Winter und ein bisserl Gelände gehen aber natürlich auch.

Foto: Volkswagen
Grafik: der Standard

Berlin – Heute wollen wir ein wenig oszillieren. Zwischen Flötenkonzert, Menzel, Zulegen, Abspecken und Prophetentum. Dominik Hoberg, bei VW neuerdings Leiter Produktkommunikation und in Szenekreisen berühmter Langstreckenprofi, hat zuletzt die Strecke Sant'Agata Bolognese- Barcelona-Wolfsburg zurückgelegt und dabei kontinuierlich an Substanz zugelegt – womit wir schon beim Analogieschluss Tiguan wären.

Zu dessen internationaler Pressefahrvorstellung schickte man uns nämlich gegen den Uhrzeigersinn rund um Berlin und dann in die Metropole hinein, Tiergarten, Nähe Siegessäule, denn ja: Schon die erste Generation des kompakten SUVs war ein regelrechter Siegertyp, seit dem Start 2007 verkaufte die sich 2,8 Millionen Mal.

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Damit, erfuhr unsereins vor Ort, habe sich der Wagen vom Fleck weg als viertes VW-Standbein neben Golf, Polo und Passat etabliert, und der Neue soll absatzmäßig eine womöglich noch markantere Duftnote hinterlassen. Um zu prognostizieren, dass es wieder ein Bestseller wird, muss man kein Prophet sein.

Potsdam

Jedenfalls, Hoberg, Oszillation. Der Mann ist bekannt dafür, seine Botschaften in mehreren Metaebenen zu deponieren. Verweilen wir deshalb kurz in Potsdam, wohin die Testroute uns auch führte, und klopfen die zu neuem Glanz erwachte Hohenzollern-Residenz auf entsprechende Verdachtsmomente ab.

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Sanssouci. Kopilot Rudi Skarics lässt sich überreden zum Zwischenstopp bei Friedrichs II. Rokokoschloss "Ohnesorg". Prunk und Bescheidenheit, diese Gegensätze verkörpert des Königs Lieblingsbleibe, wir finden einen ersten Hinweis gen Tiguan: Sorglospaket, per Aufpreisliste aufrüstbar bis zur Nobelkarosse. In der Hinsicht, auch beim Fahrkomfort, hat der SUV deutlich zugelegt. Trotz Wachstums (in der Länge um 60 mm auf 4,49 m, beim Radstand um 77 mm auf 2,68 m; und die Abflachung um 33 mm tut der Gesamtproportionierung gut) bleibt der Tiguan stets strikt am menschlichen Maß orientiert und hat sogar ein paar Kilogramm abgespeckt.

Geradlinig

Stilistisch kommt in dieser Gegend gleich nach Friedrichs letztem Rokoko-Schwung der Klassizismus Schinkel'scher Prägung – auch der Tiguan wechselt sein Erscheinungsbild, vom inzwischen fast seltsam anmutenden barockisierenden Rundformhabitus auf allgemeingefällige, geradlinige, klassi(zisti)sche Formenstrenge.

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Und jede Wette: So gut, wie man aufgrund des neuen Gestühls im Tiguan sitzt, ist der Alte Fritz auf keinem Stuhl in Sanssouci gesessen. Auch darum ist er bei seinem – richtig, jetzt kommt's – Flötenkonzert auch gestanden. Zumindest tut er dies im berühmten Bild von Adolph Menzel, Sie kennen das ja. Dank totaler Vernetzung und umfangreichem Infotainment lässt sich Friedrichs Flötenkonzert (oder jedwede andere Musik) einspielen oder runterladen, man könnte dabei auch Menzels Bild ins 8-Zoll-Display einspielen (oder Millionen andere Bilder).

Dampfmaschine

Dass man Friedrichs Preußen-Staatsethos heutigen Staatenlenkern ins Stammbuch schreiben möchte – "Ich bin der erste Diener des Staates" -, steht auf einem anderen Blatt, wir streifen in Potsdam noch rasch das Dampfmaschinenhaus für Sanssouci. Sieht aus wie eine Moschee, beherbergte ursprünglich, 1842, eine garagengroße Zweizylinder-Dampfmaschine von Borsig, Wirkungsgrad drei Prozent. Raffinierter Bursche, der Hoberg, jetzt geht's um Downsizing und Effizienz.

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Gut. 2-Zylinder wird man im Tiguan nicht finden, 3-Zylinder auch nicht, sondern ausschließlich Triebwerke mit vier Häferln, diese allerdings konstruiert nach Downsizing- und Reinheitsgebot. Drei Benziner und vier Diesel kommen nach Österreich, sie leisten 125 bis 240 PS, sind allesamt sparsamer und kräftiger als ihre Vorgänger – und die Aggregatwirkungsgrade moderner Verbrennungsmotoren liegen mit rund 30 (Otto) bis 40 Prozent (Diesel) doch ein klein wenig über den dreien des Herrn August Borsig. Statt des Potsdamer Minarett-Schornsteins genügt ein schlanker Auspuff.

Den Auftakt bei uns machen ein 150- und 190-PS-Diesel, den Tiguan selbst gibt's weiterhin mit Frontantrieb und Allrad, ein etwas geländegängigerer Offroad-Ableger kommt auch wieder, mit auf 25 Grad optimiertem Front-Böschungswinkel. Was die Version kann, war auf einem Geländeparcours im Berliner Mellowpark abfragbar. Sehr herausfordernd – für Holländer zum Beispiel. Wir Alpenländler aber, wir warten lieber auf den Testwagen und fahren dann einmal eine richtige G'stättn. (Andreas Stockinger, 21.04.2016)

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