Treffen in München: Sebastian Kurz und Horst Seehofer.

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Rom/Wien – Österreich und Bayern hoffen weiterhin gemeinsam darauf, dass Grenzkontrollen wegen der Flüchtlingskrise am Brenner nicht notwendig sein werden. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) betonten am Freitag nach einem Gespräch in München, man kämpfe vielmehr vehement dafür, dass die Kontrollen an den EU-Außengrenzen funktionierten.

"Unsere Vision bleibt das Europa ohne Grenzen nach innen", sagte Kurz. Das gehe aber nur mit funktionierenden Kontrollen an den Außengrenzen. Das "Weiterwinken" von Flüchtlingen müsse beendet werden. Am Brennerpass treffe man nun Vorbereitungsmaßnahmen für Kontrollen, von denen man hoffe, dass sie nicht notwendig sein werden. "Im schlimmsten Fall" könne es aber so kommen. Die Krise sei noch nicht gelöst – sein Optimismus sei allerdings "sehr groß". "Wir müssen diejenigen, die bleiben werden, rasch integrieren. Zentral sind dabei Spracherwerb, Wertevermittlung und der Berufseinstieg", so der Außenminister.

Seehofer: "Haben es noch nicht geschafft"

Auch Seehofer sagte: "Wir haben es noch nicht geschafft. Wir haben noch nicht die endgültige Lösung." Auch Bayern wünsche sich eine funktionierende Kontrolle der EU-Außengrenzen. Solange dies nicht gewährleistet sei, brauche es aber Maßnahmen an den Binnengrenzen. Seehofer bekräftigte deshalb sein Angebot an Österreich, mögliche Kontrollen am Brenner mit bayerischen Polizisten zu unterstützen.

Seehofer dankte Kurz ausdrücklich für die Rolle Österreichs, die maßgeblich dafür gewesen sei, dass die Flüchtlingszahlen derart gesunken seien. "Das werden wir historisch auch nie vergessen."

Migrationskommissar plant Brief

Wegen der Grenzvorkehrungen am Brenner will EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos einen offiziellen Brief an die österreichische Regierung richten. "Wir brauchen keine Politik, die zur Grenzschließung führt, denn damit gefährden wir das Schengen-Abkommen", so Avramopoulos im Interview mit der italienischen Tageszeitung "La Stampa" am Freitag.

Er habe Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) aufgefordert, ihm einen Text vorzulegen, in dem die Pläne und die Begründungen der österreichischen Regierung für die Bauarbeiten am Brenner erklärt werden. Avramopoulos kündigte auch seinerseits einen Brief an Mikl-Leitner an.

Avramopoulos: "Nicht die richtige Antwort"

Europa müsse "Brücken und keine Mauern" errichten. "Einseitige Initiativen" wie jene der österreichischen Regierung seien eine Gefährdung des Prinzips des freien Personen- und Warenverkehrs, so der EU-Kommissar. "Das ist nicht die richtige Antwort auf die Probleme. Ich hoffe, dass Österreich seinen Beschluss überdenken wird und dass der Dialog siegt. Wir müssen alles unternehmen, damit es binnen Jahresende zu einer Normalisierung der Lage um das Schengen-Abkommen kommt. Die 28 EU-Mitglieder müssen ihren Verpflichtungen nachkommen. Tun sie das, werden wir keine Probleme unter den Staaten haben, vor allem wenn sie befreundet und Nachbarn sind", betonte der Grieche.

Der EU-Kommissar drängte zu mehr gegenseitigem Vertrauen in der EU. Die Gefahr sei ansonsten, dass jedes Land "einseitige Beschlüsse" ergreife. "Wir sitzen alle im selben Boot. Wir müssen im Geist gegenseitiger Solidarität handeln", so der Kommissar. Dabei hob er die Bemühungen Italiens und Griechenlands im Umgang mit der Flüchtlingsproblematik hervor.

Fischer: "Falsche Gerüchte"

Gleichzeitig hat Präsident Heinz Fischer Gerüchte über eine Schließung der Brenner-Grenze als "falsch und irreführend" bezeichnet. Trotz der Flüchtlingskrise müsse der freie Personen- und Warenverkehr nach den europäischen Prinzipien gewährleistet werden, betonte Fischer in einem von der italienischen Tageszeitung "La Repubblica" (Freitagsausgabe) veröffentlichten Brief.

Angesichts des Mangels eines "effizienten Schutzes der europäischen Außengrenzen" sei Österreich aber gezwungen, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um die Einreise einer unbegrenzten Zahl von Personen aus nicht-europäischen Ländern zu verhindern, deren Identität unbekannt sei. Verdächtige, die illegal oder ohne die notwendigen Dokumente ins Land einreisen wollen, könnten damit identifiziert werden. Der freie Personen- und Warenverkehr bleibe aber garantiert.

"Österreich wird weiterhin zu den europäischen Ländern zählen, die proporzmäßig zu ihrer Bevölkerung ein Beispiel für Aufnahme sind. Fest steht jedoch, dass sich die Probleme am Brenner umso stärker verringern werden, je effizienter der Schutz der europäischen Außengrenzen sein wird, zu dem auch Italien nach seinen Möglichkeiten beitragen wird. So können wir gemeinsam die europäischen Prinzipien erfüllen", stellte Fischer klar.

Renzi will in Brüssel aktiv werden

Der italienische Premier Matteo Renzi hat am Freitag dementiert, dass sein Land mit einer Flüchtlingsinvasion konfrontiert sei. Er bekräftigte, dass Rom in Brüssel aktiv werde, sollte Österreich die Regeln des Schengen-Abkommens nicht einhalten.

"Den österreichischen Freunden sage ich, dass der Brenner nicht ein Tunnel ist, der unsere Länder verbinden wird. Der Brenner ist ein Symbol. Wir werden nicht wegschauen, wenn jemand die Regeln verletzt. Die Freundschaft ist ein großer Wert, und Respekt der Regeln ist die Grundlage der Freundschaft", so Renzi.

Er versicherte, dass keine Flüchtlingsinvasion im Gang sei. Die Flüchtlingsproblematik sei ein großes Problem, Italien sei in der Lage, damit umzugehen. "Ich will das Problem nicht herunterspielen, doch ein klares Signal geben. Die Zahl der Flüchtlinge, die dieses Jahr eingetroffen ist, ist nur ein wenig höher als im vergangenen Jahr. Den Italienern sage ich: Vernunft muss überwiegen", so Renzi.

25 Prozent mehr Flüchtlinge in Italien eingetroffen

Seit Jahresbeginn sind 24.090 Flüchtlinge in Italien eingetroffen, das sind 25 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2015, wie das Innenministerium am Freitag mitteilte.

2.892 Migranten seien bisher an den Land-Grenzen zurückgewiesen worden, dabei handelt es sich mehrheitlich um Menschen aus Pakistan. Allein seit Dienstag seien 6.000 Menschen nach Reisen über das Mittelmeer in Italien eingetroffen. (APA, 15.4.2016)