Wien – Tock-tock-tock-tock-tock. Als würde jemand sehr schnell auf etwas Hartes trommeln. Tock-tock-tock-tock-tock. Oder etwas feucht und schmatzig schnippen. Die Laute kommen aus einem kleinen schwarzen Kästchen in Ulrich Hüttmeirs Hand. "Da oben", sagt der Biologe in diesem Moment und zeigt in den leicht angrauenden Himmel. Tatsächlich, da schwirrt etwas Dunkles umher. Ein Ultraschalldetektor in Hüttmeirs Hand macht die Laute des Tieres für das menschliche Ohr hörbar. Ulrich Hüttmeir ist Fledermausforscher, und sein Spezialgebiet hat wieder Saison – die Tiere erwachen aus dem Winterschlaf. Auch im Prater.

Die 250-Jahr-Feiern des Grünareals samt Vergnügungspark sind den Fledermäusen, solange der Lärm unter Ultraschallfrequenz bleibt, herzlich egal. Die Tiere entfalten am Heustadlwasser, unweit des Stadionbads, nun allabendlich wieder ein Nachtleben, das mit jenem in Praterdome und Fluc nichts gemein hat.

Der Abendsegler eröffnet

Als Erstes schwirrt kurz nach 19 Uhr der Große Abendsegler auf der Suche nach Beute im Himmel umher. Heimische Fledermäuse sind Insektenfresser. Etwa eine Viertelstunde später schlagen auch flinke kleine Mückenfledermäuse knapp über Baumkronen hektische Haken.

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Der Ultraschalldetektor, Hüttmeirs Aufspürhilfe, ist ein kleines Kästchen, etwa in der Größe eines Smartphones, aber doppelt so dick. Dessen Mikrofon kann – wenn man es auf der richtigen Kilohertz-Frequenz eingestellt hat – die Tierlaute wahrnehmen und hörbar machen.

Die Geräusche liegen zwischen 17 und 110 Kilohertz und dienen den Fledermäusen zur Ortung ihrer Beute.

Fledermausarten nach ihren Lauten zu bestimmen ist aber selbst dem Forscher nur bis zu einem gewissen Grad möglich. "Die Rufe haben nicht, wie bei den Vögeln, eine soziale Funktion", erläutert Hüttmeir. Fledermausrufe sind an den Lebensraum angepasst. In ähnlichen Lebensräumen gibt es daher einander ähnelnde Rufe.

Wo welche aktiv sind

"Im Prater haben wir acht Arten nachgewiesen. Wahrscheinlich sind es etwas mehr", sagt der Forscher, der auch im Arten- und Naturschutzbereich sowie als Gutachter für Umweltverträglichkeitsprüfungen tätig ist. 2007 bis 2010 fand in Wien eine große Untersuchung des Vorkommens der Fledermäuse statt, bei der Hüttmeir mit Kollegen und Freiwilligen im nach Rastern eingeteilten Stadtgebiet Wiens Tiere suchte.

Fledermausforscher Ulrich Hüttmeir mit einem seiner Ultraschalldetektoren, die Fledermäuse hörbar machen.
Foto: Sarah Brugner

So auch im Prater, der ursprünglich gar nicht als Untersuchungsgebiet eingeplant war, da er kein EU-Schutzgebiet darstellt. Doch die Forscher "nahmen ihn gleich mit". Wirklich herausgestochen sei er im Ergebnis dann weder durch besonders hohes noch durch besonders geringes Fledermausaufkommen.

22 Arten in Wien

Insgesamt sind in Wien 22 Fledermausarten nachgewiesen. Neben der Mückenfledermaus und dem Großen Abendsegler findet sich im Prater etwa die Zwergfledermaus, die Weißrandfledermaus, die erst vor 25 bis 30 Jahren aus dem Mittelmeerraum nach Österreich gezogen ist, und die Zweifarbfledermaus, die ein Weitstreckenflieger ist, was bedeutet, dass sie zwischen Winter- und Sommerquartier bis zu 1200 Kilometer zurücklegt. Außerdem lebt hier die Breitflügelfledermaus, die Wiesen und Waldränder bevorzugt.

Der Abendsegler macht in der Dämmerung den Anfang.
Foto: Willi Stani

Je nach Art wählen die Tiere unterschiedliche Unterschlupfe: Spalten bei Wandverschalungen, Fensterläden oder hohle Bäume, Dachstühle oder die ersten Höhlen der Kalkalpen.

Auf Fledermausfang

2010 postierte sich die Forschungsgruppe im Prater am Ufer des Heustadlwassers, vor einer Böschung mit Bäumen. "Wir haben Netze aufgestellt, um Fledermäuse zu sammeln und genau zu bestimmen", sagt Hüttmeir. Dafür brauche man "selbstverständlich" eine naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung", die man auch gehabt habe.

Normalbürgern bleibt das Beobachten der Tiere, das mit etwas Geduld auch ohne Hilfsgerät gelingt. Hüttmeir empfiehlt, sich in der frühen Dämmerung auf die Lauer zu legen und bei Wasserflächen auf die Abendsegler zu warten. "Insekten gibt es im Prater genug", sagt er.

Lichteffekte

Besonders viel ist im Sommer los, heuer vielleicht etwas mehr als sonst: Wenn bei Jubiläumsevents im Prater mehr Licht eingesetzt wird, "können manche Arten profitieren, weil auch Insekten vom Licht angezogen werden" . Andere Arten störe Licht aber. Maximal bis zum Winter. Dann sinken die Tiere wie der Wurstelprater in einen tiefen, ruhigen Schlaf. (Gudrun Springer, 14.4.2016)