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1500-mal wurde eine Strafe gegen Nikabträgerinnen in Frankreich ausgesprochen.

Foto: EPA/HORACIO VILLALOBOS

In Frankreich ist es seit April 2011 verboten, sein Gesicht in der Öffentlichkeit zu verhüllen. Im Visier sind, auch wenn das nicht offen gesagt wird, jene Muslimas, die ihren Körper von den Finger- bis zu den Nasenspitzen verhüllen. Sie tragen meist einen Nikab, der im Unterschied zur afghanischen Burka kein Gesichtsgitter enthält, sondern einen Augenschlitz freilässt. Im Volksmund hat sich dennoch der Begriff "Burkaverbot" durchgesetzt.

Die Bilanz ist relativ bescheiden: In fünf Jahren wurde die Buße von 150 Euro insgesamt nur 1500-mal ausgesprochen, im Durchschnitt also 300-mal pro Jahr. Das allein zeigt die geringe Verbreitung des Phänomens – bei schätzungsweise fünf Millionen Muslimen in Frankreich.

1500 Bußen bedeuten zudem nicht, dass 1.500 Frauen betroffen wären. Nach Polizeiangaben erhielten nur 600 Frauen einen Bußzettel – viele von ihnen mehrfach. Zwei besonders renitente Burka-Trägerinnen wurden im vergangenen Jahr insgesamt mehr als 50-mal bestraft.

Bewusste Provokation

Das zeigt auch, dass viele der betroffenen Frauen nicht so sehr auf Betreiben ihres Mannes, sondern sehr bewusst "zur Provokation oder zur Zurschaustellung" handeln, wie ein Polizeisprecher sagte. Ein Drittel der Burka-Trägerinnen sollen Konvertitinnen sein. Pariser Medien fragen, ob diese seltenen Einzelfälle das mediale Tamtam um das Burkaverbot überhaupt verdient hätten. Laut Umfragen wird das Gesichtsverhüllungsverbot aber weiter von einer Mehrheit der Franzosen begrüßt.

Seitdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Verbot 2014 gebilligt hat, ist die Debatte in Frankreich abgeflaut. Das streng laizistische Land hält an dem prinzipiellen Verbot fest, legt aber in der täglichen Umsetzung eine beträchtliche Flexibilität an den Tag. In den Vorstadtquartieren schauen die Polizisten gerne weg, wenn es sich nicht um Überzeugungstäterinnen handelt.

Unternehmer zahlt

Zudem wissen die Behörden, dass die Frauen die Bußen gar nicht selbst zu zahlen brauchen. Ein algerischstämmiger Unternehmer namens Rachid Nekkaz, der sich als gemäßigter Laizist bezeichnet, aber gegen das Verschleierungsverbot ist, übernimmt die Bezahlung. Er hat nach eigenen Angaben schon 900-mal in Frankreich gezahlt, dazu 120-mal in Belgien, wo das öffentliche Nikabtragen ebenfalls untersagt ist.

Das Reiseland Frankreich will auch nicht die zahlungskräftigen Touristinnen aus der Golfregion verlieren. Eine reiche Saudi-Araberin, die trotz Nikab unschwer zu erkennen ist, wird in der Hotellobby ihres Luxushotels nicht angehalten, und auch das Taxi lässt man sie problemlos besteigen. Auf den Champs-Élysées flanieren diese im wahrsten Sinn "betuchten" Saudi-Araberinnen teilweise enthüllt. Andere haben eine noch bessere Idee: Sie greifen auf Atemschutzmasken zurück. (Stefan Brändle aus Paris, 14.4.2016)