Die Tiefzinsphase hält Fondsmanager Wögerbauer für einen Dauerzustand, der über Jahre eingefroren ist.

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STANDARD: Wissen Sie, wie viele Auszeichnungen Sie im Zuge Ihrer Laufbahn als Fondsmanager erhalten haben?

Wögerbauer: Das weiß ich spontan gar nicht so genau.

STANDARD: Es müssen viele gewesen sein.

Wögerbauer: Es waren schon einige, aber ich führe keine Liste darüber. Was mich mehr freut, ist die Beständigkeit über viele Jahre hinweg. Wenn ich in einem Jahr eine Auszeichnung erhalte und im nächsten Jahr der große Verlierer bin, würde das dem Endverbraucher nicht viel bringen.

STANDARD: Nicht jeder Fondskunde hält Schwankungen gut aus.

Wögerbauer: Absolut, das ist völlig klar. Es geht vor allem um die langjährige Perspektive.

STANDARD: Wenn man mit Ihnen spricht, hat man das Gefühl, dass Ihnen die Arbeit nach all den Jahren noch viel Spaß macht.

Wögerbauer: Das ist auch so. Ich habe schon in jungen Jahren meine Liebe zum Wertpapiergeschäft entdeckt. Dass ich mit 47 eine Fondsgesellschaft mit 8,5 Milliarden Euro führen darf, war nicht geplant – kann man auch gar nicht. Warum mir dieser Job Spaß macht? Weil er eines mit sich bringt, wovon man auch privat profitieren kann: Wir sind gezwungen, immer zu wissen, was sich auf der Welt tut. Wirtschaftlich sowieso, aber auch politisch – man hat immer einen Überblick über das Weltgeschehen.

STANDARD: Hat Ihnen Ihr Beruf schon schlaflose Nächte bereitet?

Wögerbauer: Schlaflose Nächte kaum bis nie. Weil wenn man das bei jeder Börsenturbulenz hätte, würde die Lebensqualität stark leiden. Aber wenn man nach der Lehman-Pleite als Chef einer Fondsgesellschaft spürt, dass das Finanzsystem wirklich in den Grundfesten erschüttert wird, dann ist auch die eine oder andere Nacht dabei, in der der Schlaf etwas kürzer ausfällt.

STANDARD: Derzeit beeinträchtigen die Börsen Ihren Schlaf aber nicht.

Wögerbauer: Nein, das tun sie nicht. Ich schlafe gut.

STANDARD: Sie haben ja im Lauf der Jahre viel erlebt. War nach Lehman Ihre schwerste Zeit?

Wögerbauer: Ja, das war 2008 nach Lehman, als sich der österreichische Aktienmarkt mehr als halbiert hat. Die ganze Welt hatte damals Probleme, aber in Wien kam dazu, dass die Liquidität im Markt völlig zusammengebrochen ist. Man möchte eine Aktie verkaufen, aber der Markt ist so verrückt und verunsichert, dass es nicht geht. Das ist der Worst Case, zuschauen zu müssen, wie der Markt immer weiter nach unten geht, ohne dass man herauskommt.

STANDARD: Und wann war die beste Zeit?

Wögerbauer: Die beste Phase war zuvor der Boom bis 2007, der von der Osteuropafantasie getragen wurde. Das war schon eine schöne Zeit.

STANDARD: Wie oft haben Sie während Ihrer Tätigkeit schon Abgesänge auf die Wiener Börse gehört?

Wögerbauer: Das habe ich schon oft gehört. Jetzt bin ich etwas zynisch, aber es steckt ein Funken Wahrheit darin: Als wir 2002 den Österreich-Fonds gestartet haben, haben wir schon gesagt, dass der heimische Markt ein freundliches Kapitalmarktklima braucht. Für eine Wirtschaftsnation ist wichtig, dass der Kapitalmarkt funktioniert. Wenn ich 13 Jahre später ein Fazit ziehe, ist das ernüchternd, wenn wir noch immer dieselben Themen diskutieren. Nämlich, dass die Aktie in Österreich schnell in die Ecke der Spekulation gestellt wird durch politische Kommentare oder das Steuerrecht. Dadurch bekommt der Österreicher nicht übermittelt, dass es eine Beteiligung an einem Unternehmen ist, das etwas Sinnvolles produziert.

STANDARD: Was sind die Besonderheiten eines Österreich-Fonds verglichen mit anderen?

Wögerbauer: Es gibt zwei große Herausforderungen: Eine ist das in Österreich sehr eingeschränkte Branchenuniversum. Fondsmanager können sich entweder offensiv und prozyklisch aufstellen oder defensiv. In Österreich kann man sich aber nicht defensiv aufstellen, weil uns fast die gesamte Nahrungsmittelecke und die Gesundheitsecke fehlen. In Phasen, in denen die Konjunktur oder Osteuropa nicht gut läuft, ist es in Österreich schwer, sich dem zu entziehen. Und der zweite Punkt betrifft ...

STANDARD: ... lassen Sie mich raten: die Liquidität?

Wögerbauer: Die Liquidität, genauso ist es. Wir sind im globalen Kontext ein eher kleineres Investmenthaus, wir haben derzeit 300 bis 350 Millionen Euro an Assets am Wiener Aktienmarkt. Das klingt nicht nach viel, aber bewegen Sie einmal 300 Millionen an der Wiener Börse. Das geht bei den liquideren Titeln, aber wenn man ein bisschen weiter hinuntergeht – was ich gerne mache, weil ich leidenschaftlicher Stockpicker bin und kein Indextracker -, dann ist das Umsetzen der Meinung eine Herausforderung. Aber die schlechte Liquidität hat auch einen Vorteil: Ich muss mir sehr gut überlegen, was ich tue, weil ich nicht morgen wieder herauskann.

STANDARD: Sind alternative Handelsplattformen, sogenannte Darkpools, oder au-ßerbörslicher Handel ein Ausweg?

Wögerbauer: Richtung Darkpools gehe ich nicht, aber ich handle sehr viel mit Brokern. Wenn ein größerer Player 50.000 Stück einer Aktie sucht und ich diese geben will, dann führt uns ein Broker zusammen. Das außerbörsliche Geschäft ist schon wesentlich.

STANDARD: Börsengänge gelten ja als Salz in der Suppe. Diesbezüglich herrscht in Wien Flaute, und es ist auch nichts in Sicht, oder?

Wögerbauer: Ja, so ist es. Mir ist nichts bekannt, und ich denke daher nicht, dass etwas bevorsteht.

STANDARD: Welche drei nichtnotierten Unternehmen würden Sie gerne an der Wiener Börse sehen?

Wögerbauer: Umgekehrt wäre es leichter. Was ich mir nicht wünsche, sind noch mehr Landesversorger unter staatlichem Einfluss, weil der Aktionär meistens auf der Strecke bleibt. Was ich mir wünsche? Es gibt eine Vielzahl an Industrieunternehmen, die man noch gar nicht so kennt, die börsenfähig wären. Red Bull an der Börse? Na ja, es kann doch keiner ernsthaft glauben, dass sich der Herr Mateschitz in einer Hauptversammlung dafür rechtfertigen muss, wie viel Geld er für RB Leipzig ausgibt. Das ist ein Hirngespinst, das nicht stattfinden wird.

STANDARD: Wie groß ist die Hypothek für den Kapitalmarkt durch das Heta-Debakel?

Wögerbauer: Das würde ich nicht zu dramatisch sehen. Wenn ein Fondsmanager aus Frankfurt, London oder Zürich glaubt, dass eine bestimmte Aktie ein gutes Investment ist, ist ihm das Thema Heta egal. Am Aktienmarkt gibt es wenig bis gar keinen Schaden. Aber ich glaube, auf der Anleihenseite ist schon ein Schaden da.

STANDARD: Wie schätzen Sie das Potenzial in Wien für die nächsten ein bis zwei Jahre ein?

Wögerbauer: Durchaus gut. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass die Tiefzinsphase ein Dauerzustand ist, der über Jahre eingefroren sein wird. Fakt ist, dass ich im Sparbereich gar nichts bekomme, auch Staatsanleihen fallen als Investment aus. Die Aktie an sich hat ein sehr stimmiges Argument in Form einer Dividende. Drei bis vier Prozent bekomme ich relativ rasch. Daher glaube ich, dass das Kapital Schritt für Schritt in Richtung Dividende geht.

STANDARD: Spielen Dividenden künftig eine wichtigere Rolle?

Wögerbauer: Ja, und das wird noch massiv zunehmen. Die Dividende wird als Behalteprämie noch mehr Bedeutung gewinnen, als sie ohnedies schon hat.

STANDARD: Wann werden wir das Rekordhoch des ATX bei gut 5000 Punkten wieder erreichen?

Wögerbauer: Für die absehbare Zeit ist dieser Höchststand illusorisch. Aber ich bin jetzt 47, rund 20 Jahre gebe ich mir beruflich noch – wir werden es sehen. (Alexander Hahn, 15.4.2016)