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Auch wer Sozialleistungen zu Unrecht kassiert hat, soll entlarvt werden können. Auch Firmen können so unehrlichen Mitarbeitern auf die Schliche kommen.

Foto: APA/EPA/JEFF KOWALSKY

Wien – Betrug ist so alt wie die Menschheit. Schon im alten Rom gab es Schwindler und Falschmünzer, auf dem Forum Romanum blühte das gezinkte Würfelspiel. Der Komödiendichter Plautus beklagte sich über Berufsbankrotteure, die, sobald man ihnen Geld übergeben hatte, Konkurs anmeldeten. Heute gibt es zwar effektive Strafverfolgung, doch Betrug ist keineswegs ausgerottet. Aber im Zeitalter von Big Data und automatisiertem Informationsaustausch haben Ermittler eine mächtige Waffe: Daten.

In Italien wurde 2013 ein Einkommensmeter eingeführt, der mit Big Data Steuerbetrüger entlarven soll. Das System gründet auf der Annahme, dass man auf Basis von Haushaltsausgaben auf die Steuerschuld schließen kann. Um etwas ausgeben zu können, braucht man auch ein entsprechendes Einkommen – das man versteuern muss.

Italiens Steuerbehörden verfügen über eine Menge Daten: Versorgungsverträge, Neuzulassung von Fahrzeugen, Hypotheken, Versicherungen etc. Die restlichen Ausgabeposten für Güter wie Nahrungsmittel wurden mithilfe des Statistikamts ermittelt. Das System hat Italien in fünf Zonen mit unterschiedlicher Kaufkraft unterteilt und das verfügbare Haushaltseinkommen für verschiedene "Familientypen", vom Single unter 35 Jahren bis zum Ehepaar über 65 Jahren, geschätzt. Wenn das veranlagte Einkommen 20 Prozent unterhalb der geschätzten Ausgaben liegt, schlägt der Einkommensmeter Alarm.

Jagd auf Sozialhilfebetrüger

Im US-Verwaltungsbezirk Los Angeles County gibt es das "Fraud Framework for Government", eine Plattform, mit der Sozialhilfebetrug entlarvt werden soll. Mithilfe komplexer Algorithmen generiert das Programm aus Verhaltensanomalien beim Bezug von Kindergeld einen "Risk Score" der Transferleistungsempfänger. Eine Netzwerkanalyse stellt auffällige Beziehungsmuster her. Die Software spuckt dann einen Verdächtigen aus. Wer einen Ferrari fährt und Kindergeld bezieht, ist ein potenzieller Sozialhilfebetrüger.

Die US-Börsenaufsicht SEC setzt seit 2013 einen "Robocop" im Kampf gegen Korruption ein. Das Tool durchsucht Finanzdaten nach verdächtigen Informationen. Der Hintergrund: In den USA müssen Banken und Konzerne Quartalsberichte in einer Computersprache einreichen, die Finanzinformationen vereinheitlicht. Der Robocop stellt Unregelmäßigkeiten fest, etwa bei Rückstellungen, die vom Management manipuliert werden können. Die Software scannt die Finanzinformationen und schlägt Alarm.

Wissenschafter suchen nach weiteren Methoden, um Missstände aufzudecken. Dabei werden sie auch in mathematischen Lehrbüchern fündig. Das Benford'sche Gesetz besagt, dass bei einer Datensammlung etwa 30 Prozent der Zahlen eine 1 als vorderste Ziffer aufweisen sollten, 18 Prozent eine führende 2 und so weiter bis zur 9, die nur in weniger als fünf Prozent der Fälle auftreten sollte.

Buchprüfung als Vorbild

Der Wirtschaftsprüfer KPMG hat sich diese Gesetzmäßigkeit bei der Buchprüfung eines US-Callcenters zunutze gemacht. Die Mitarbeiter durften Geld bis zu 50 Dollar zurückerstatten, höhere Summen bedurften der Zustimmung eines Vorgesetzten. Bei der Revision der Rückerstattungen fiel den Wirtschaftsprüfern auf, dass auffällig viele Zahlen eine 4 als erste Ziffer aufwiesen – mehr, als die Benford-Verteilung erwarten ließ. Und tatsächlich: Mitarbeiter hatten zu Unrecht Rückerstattungen an sich, Freunde oder Verwandte ausgezahlt – Beträge, die gerade noch ohne Erlaubnis ausbezahlt werden durften.

Gewiss, die Zauberformel ist damit nicht gefunden. Doch mit dem Benford'schen Gesetz deckten Wissenschafter der TU Ilmenau die Trickserei griechischer Finanzbehörden auf – Griechenland hatte bei seinen Zahlenwerken über Jahre hinweg geschummelt. (Adrian Lobe, 14.4.2016)