Nicht ganz so idyllisch wie diese Landschaft: die erwarteten Folgen des TTIP-Abkommens.

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Wien – Hormonfleisch, Pestizide, Chemikalien, Gentechnik: Geht es um TTIP, dann fliegen die Reizwörter wie Kanonenschüsse zwischen den Kontrahenten hin und her. Spar-Chef Gerhard Drexel hat mit seiner Kritik am geplanten US-europäischen Freihandelsabkommen noch nie gespart. Und er lässt sich auch durch einen Zwischenruf aus der Landwirtschaftskammer, der ihm "unseriöse Angstmache" vorwirft, nicht bremsen. Desaströs, geradezu brandgefährlich sei die gegenseitige Anerkennung von Standards der USA und Europa, warnt er. 90 Prozent der amerikanischen Rinder etwa würden mit Wachstumshormonen gefüttert. Was diese schon mit zwölf statt mit 24 Monaten schlachtreif mache und damit halb so teuer.

82 Pestizide und 1450 Chemikalien, die in der EU verboten seien, wären in den USA erlaubt. "Sogar Asbest." Und genmanipulierte Lebensmittel seien dort ein Milliardengeschäft. TTIP würde Österreichs 15 geschützte geografische Ursprungsbezeichnungen auf drei reduzieren. Selbst der Schutz des Tiroler Specks werde wohl bald mit Fußnoten durchlöchert, poltert Drexel.

4700 Arbeitsplätze

Der Lebensmittelhandel ist mit seinem vehementen Widerwillen gegen das Abkommen nicht allein: Nun machen die Biobauern und Greenpeace mit ihm den Schulterschluss. Und holen sich dabei die Rückendeckung der Wirtschaftsforscher. In ihrem Auftrag hat das Institut für Höhere Studien (IHS) gemeinsam mit der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (Öfse) die möglichen Auswirkungen des neuen Freihandels untersucht.

Die Bilanz ihrer Studien: Wirtschaftlich gesehen überwiegen für Österreich die Nachteile. So wirke sich TTIP negativ auf den Arbeitsmarkt aus. Am stärksten treffe es die Landwirtschaft und Lebensmittelbranche: Bis 2026 gingen hier infolge des transatlantischen Abkommens mehr als 700 Arbeitsplätze verloren. Langfristig koste es beide Sektoren fast 4700 Jobs. Auch die Gesamtbeschäftigung in Österreich sinke in den kommenden 20 Jahren um 0,03 Prozent, also um 1100 Stellen.

Kleine Betriebe unter Druck

Was die Wertschöpfung betrifft, hielten sich die positiven Effekte für die Gesamtwirtschaft mit langfristig 360 Millionen Euro in Grenzen. Die Profiteure seien die Sachgüterindustrie und der Dienstleistungssektor. Die Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft büßten aber einmal mehr ein, in Summe mehr als 100 Millionen Euro. Vor allem kleine Betriebe mit bis zu 20 Hektar gerieten in die Bredouille – während die Marktkonzentration großer Spieler steige.

Eine Studie des deutschen Ifo-Instituts, die durch TTIP in der EU 400.000 gutbezahlte Arbeitsplätze entstehen sieht, wertet Öfse-Experte Werner Raza als Ausreißer nach oben, der kontrovers diskutiert wurde. Die deutsche Exportwirtschaft sei durch den Fokus auf Sachgüter jedenfalls anders strukturiert als die österreichische.

"Nullsummenspiel"

IHS und Öfse zufolge würden die Exporte aus den USA nach Österreich in den meisten Branchen stärker zulegen als die Ausfuhren der Österreicher in die USA.

TTIP sei für Österreich volkswirtschaftlich gesehen ein Nullsummenspiel, ist die Obfrau des Bauernverbands Bio Austria, Gertraud Grabmann, überzeugt. Es beschleunige den Strukturwandel – wachsende Konkurrenz durch Billigprodukte aus den USA bringe die gesamte Branche unter Druck.

Wenn der Preis zählt

Dass Konsumenten willig sind, Lebensmitteln aus Österreich weiterhin im großen Stil den Vorzug zu geben, bezweifelt Drexel: US-Fleisch, ob mit Hormonen oder ohne, werde erst in der Gastronomie, dann im Diskont Einzug halten. Eine Kennzeichnung, etwa von Wachstumshormonen, werde es nicht geben, das falle sicherlich unter verbotenes Handelshemmnis. "30 bis 40 Prozent der Konsumenten müssen auf den Preis achten." Klar werde bei gutem Marketing billige Importware gekauft.

Auch das Argument, dass Österreich mit Bioqualität stärker im Ausland reüssieren könnte, lässt er nicht gelten: Exporte tierischer Bioprodukte seien in die USA verboten. Grund ist der hierzulande in der Tierhaltung erlaubte einmalige Einsatz von Antibiotika.

"Giftzähne ziehen"

Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit fordert Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter auf, die Notbremse zu ziehen. Dem Abkommen gehörten die Giftzähne gezogen, die landwirtschaftlichen Belange aus den Verhandlungen ausgeklammert. "Für die Umwelt gibt es da nichts zu gewinnen, aber alles zu verlieren."

VP-Minister Rupprechter selbst hält eine rasche Umsetzung von TTIP für unwahrscheinlich und bezweifelt, dass das Abkommen durch den US-Kongress geht. Er wolle Verhandlungen nicht ausschließen, sagt er, derzeit jedoch sehe es nicht danach aus. (Verena Kainrath, 13.4.2016)