Frage: Was soll durch die Asylnovelle alles geändert werden?
Antwort: Es sind drei Verschärfungen geplant. Erstens sollen Menschen, die in Österreich Asyl bekommen haben, diesen Schutz vorerst nur für drei Jahre bekommen: "Asyl auf Zeit". Zweitens sollen die Regeln für den Familiennachzug für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte – nicht abschiebbare Personen – beträchtlich erschwert werden. Drittens soll die Bundesregierung per "Sonderbestimmung" befugt werden, eine Verordnung zu erlassen, infolge derer vielen Flüchtlingen in Österreich Asylverfahren verwehrt würden.
Frage: Vor allem um die geplante "Sonderbestimmung" wird derzeit schwer gestritten. Was bezweckt die Bundesregierung?
Antwort: Kanzler, Vizekanzler und Minister stellen die "Sonderbestimmung" als unbedingt nötig dar. In der beginnenden warmen Jahreszeit werde Österreich mit einer neuerlichen Fluchtbewegung konfrontiert sein, die die Aufnahmekapazitäten des Landes endgültig zu überlasten drohe. Dadurch seien die innere Sicherheit und die öffentliche Ordnung in Österreich in Gefahr. Aufgrund des Zeitdrucks müsse die neue Regelung raschestmöglich beschlossen werden. Begutachtungsverfahren war ursprünglich keines geplant.
Frage: Was wenden die Kritiker ein?
Antwort: Das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR, andere Menschenrechtsexperten und NGO-Vertreter kritisieren, dass Österreich mit der geplanten Neuerung die im internationalen Asylrecht zentrale Bestimmung außer Kraft setzen möchte, dass jeder Asylantrag in ein Verfahren münden muss. Das sei äußerst problematisch. Eine solche tiefgreifende Änderung müsse gründlich diskutiert werden – in einem Begutachtungsverfahren.
Frage: Ist denn nicht geregelt, wann es ein Begutachtungsverfahren geben muss und wann nicht?
Antwort: Schon, aber der Teufel steckt im Detail. Grundsätzlich muss jeder Ministerialentwurf begutachtet werden. Im Fall der Asylnovelle fand aber schon eine Begutachtung statt – vergangenen November, als der Entwurf lediglich "Asyl auf Zeit" und die Familienzusammenführungsverschärfung umfasste. Formal reicht das, um die "Sonderbestimmung" als Abänderungsantrag der Novelle beizufügen. Diese soll bereits übernächste Woche im Plenum beschlossen werden. Die am Dienstag offenbar doch noch gewährte Begutachtung , müsste im Innenausschuss am Donnerstag fixiert werden. Laut Oppositionsvertretern im Parlament kommt es bei kniffligen Gesetzesentwürfen immer wieder zu ähnlichen Umgehungsversuchen – und tatsächlichen Umgehungen.
Frage: Die Bundesregierung fürchtet einen Flüchtlingsansturm auf Österreich. Mit wie vielen Ankommenden rechnet sie?
Antwort: Diesbezüglich blickt sie vor allem auf Italien. Immer wieder wird die Zahl von 700.000 bis 800.000 Menschen genannt, die in Libyen auf eine Überfahrt nach Europa warten sollen. Jene, die diese schaffen, würden großteils nach oder via Österreich weiterreisen wollen.
Frage: Woher kommen diese Zahlen – und stimmen sie?
Antwort: Sie stammen vom französischen Innenminister Jean-Yves Le Drian Ende März. Am 7. April dann nannte Enrico Credendino, der Kommandant des EU-Antischleppereinsatzes Mission Sophia vor Italien, die Zahl von 200.000 Wartenden. Beim UNHCR geht Leiter Christoph Pinter davon aus, dass all diese Angaben auf Geheimdiensterkenntnissen fußen. Aufgrund der sehr angespannten Sicherheitslage in Libyen sei das UNHCR derzeit nicht vor Ort. Das verunmögliche abgesicherte Aussagen, auch über die Schlepperaktivitäten in Libyen.
Frage: Zurück zur Asylnovelle: Was will die Bundesregierung mit "Asyl auf Zeit" erreichen?
Antwort: Laut den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf ist die Änderung "vor dem Hintergrund des aktuellen Migrationsgeschehens und der derzeitigen Herausforderungen im Bereich Asyl und Migration" notwendig. Das heißt, dass die Bundesregierung diese – und weitere – Regelungen schlicht aufgrund der hohen Zahl von Asylantragsteller 2015 – rund 90.000 Menschen – einführen will.
Frage: Was entgegnen Kritiker?
Antwort: Erstens – formal –, dass auch ohne "Asyl auf Zeit" die Möglichkeit bestehe, einem anerkannten Flüchtling den internationalen Schutz wieder zu entziehen, wenn die Verfolgungsgründe wegfallen. Zweitens – inhaltlich –, dass neu anerkannte Flüchtlinge künftig noch mehr Schwierigkeiten haben könnten, Job oder Wohnung zu finden. Denn allgemein sei dann bekannt, dass sie vorerst nur über ein auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsrecht verfügen.
Frage: Sehr umstritten ist auch die Erschwerung der Familienzusammenführung. Warum?
Antwort: Inhaltlich, weil die künftig eingeräumte Frist von drei Monaten, binnen derer nahe Angehörige eines anerkannten Flüchtlings die Einreise nach Österreich beantragen können, zu knapp bemessen sei. Danach muss der hier befindliche Verwandte ein – für Flüchtlinge schwer erreichbares – Einkommen nachweisen. Subsidiär Schutzberechtigten, deren Angehörige künftig drei Jahre warten müssen, werde die Wiedervereinigung mit ihren Nächsten überhaupt fast verunmöglicht. Dabei sei ein gutes Familienleben eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Integration. Auch wird eingewendet, dass das UNHCR und andere internationale Experten einhellig statt einer Einschränkung eine Ausweitung der Familienzusammenführung empfehlen. Doch darauf wurde weder in Österreich noch in Deutschland und Schweden gehört. (Irene Brickner, 13.4.2016)