Großer Bahnhof mit historischer Kulisse für Bundespräsident Heinz Fischer (re.) im mittelböhmischen Ort Stochov. Sein Vorgänger und der von Miloš Zeman (Mi.) hatten einander dort 1921 getroffen.

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Der Auftakt zum Staatsbesuch erinnerte fast an die Stunde null der österreichisch-tschechischen Beziehungen: Bundespräsident Heinz Fischer und sein tschechischer Amtskollege Miloš Zeman enthüllten am Montag im mittelböhmischen Stochov eine Tafel zum Gedenken an ein Treffen der beiden Staatsoberhäupter Michael Hainisch und Tomáš Garrigue Masaryk am 16. Dezember 1921.

Der Vertrag, der damals in dem Bahnhof unweit vom Präsidentenschloss Lány unterschrieben wurde, schloss an die europäischen Friedensabkommen nach dem Ersten Weltkrieg an und enthielt unter anderem ein Versprechen der damaligen Tschechoslowakei, den wirtschaftlichen Wieder aufbau Österreichs finanziell zu unterstützen. Österreich lag nach dem verlorenen Krieg und dem Zusammenbruch der Monarchie am Boden, die Tschechoslowakei hingegen stand am Anfang ihrer Glanzepoche, der 1918 ausgerufenen Ersten Republik.

Ein "vorbildliches Verhältnis"

Knapp 95 Jahre später reiste Fischer zum letzten Staatsbesuch seiner Amtszeit nach Prag – und zwar wie einst sein Vorgänger Hainisch per Bahn. Von dort aus zuckelte er mit Masaryks historischen Salonwagen weiter nach Stochov, wo er von Miloš Zeman empfangen wurde. Bereits im Vorfeld würdigte Fischer die Qualität der bilateralen Beziehungen: Vor dem Hintergrund der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und der mehr als 40 Jahre, die die Tschechen danach im kommunistischen Machtblock auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs verbrachten, sei "das Verhältnis zwischen Wien und Prag vorbildlich", sagte Fischer vor Journalisten.

Im vergangenen Vierteljahrhundert war das nicht immer so. Während Prag und Berlin ihre Beziehungen bereits 1997 in der sogenannten Deutsch-Tschechischen Erklärung auf eine stabile Basis stellten und ein gemeinsamer Zukunftsfonds seither jedes Jahr hunderte bilaterale Projekte unterstützt, fehlten vergleichbare Initiativen mit Wien fast völlig.

Über die Ursachen dafür wird viel spekuliert: Misstrauen, das in den Nationalitätenkonflikten der Habsburgermonarchie wurzelt, wird dabei ebenso ins Treffen geführt wie die Rivalität allzu ähnlicher Geschwister. Die Debatten verengten sich häufig auf die Sicherheit tschechischer Kernkraftwerke und die Vertreibung der deutschsprachigen Zivilbevölkerung aus der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg.

Renaissance der Beziehungen

Als die tschechische Regierung des sozialdemokratischen Premiers Bohuslav Sobotka im Jänner 2014 die Amtsgeschäfte übernahm, machte sie die Renaissance der Beziehungen zu Österreich zu einer wichtigen außenpolitischen Priorität. Seither eröffnete inten sive Besuchsdiplomatie auch bei schwierigen Themen wie Energieversorgung oder Vergangenheitsbewältigung neue Perspektiven.

So wurde zuletzt die Integration des Gasmarkts vorangetrieben, die für mehr Energiesicherheit sorgen soll: Ein Fördervertrag mit der EU zur Teilfinanzierung des Projekts BACI (Bidirectional Austrian-Czech Interconnector), einer Verbindung von Pipeline-Systemen beider Länder, wurde im April 2015 unterzeichnet, der Transportstart ist für 2020 geplant.

Unterschiedliche Sichtweisen auf die Vergangenheit wiederum sollen ab 2017 in einem österreichisch-tschechischen Geschichtsbuch aufgegriffen werden. Auch beim dringend nötigen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur stehen beide Länder in engem Kontakt. Aus der "toten Grenze der Vergangenheit wollen wir eine lebendige Grenze machen" sagte Fischer. Der Verkehr sei dazu eine wichtige Voraussetzung.

In der Flüchtlingsfrage tut sich ein Riss auf

Differenzen gab es zuletzt in der Flüchtlingskrise: Tschechien ist gegen dauerhafte Verteilungsquoten und wurde auch wegen der Inhaftierung von Migranten in Schubhafteinrichtungen international kritisiert. Vor allem Präsident Zeman, der von einer "organisierten Invasion" spricht, sorgt immer wieder für Verunsicherung bei seinen Landsleuten – und für Irritation bei den europäischen Partnern. Premier Sobotka jedoch nimmt eine moderate Position ein und hat Zeman wiederholt massiv kritisiert.

Den EU-Mehrheitsbeschluss zur Verteilung von 160.000 Flüchtlingen akzeptiert Tschechien – anders als die Slowakei oder Ungarn, die dagegen geklagt haben. Fischer betonte die "unterschiedlichen Blickwinkel zwischen Wien und Prag", will aber genau deshalb die Verhandlungstemperatur nicht abkühlen. Zeman wiederum kritisierte das Verhalten Ankaras im Zusammenhang mit dem Flüchtlings deal zwischen der Türkei und der EU am Montag als "erpresserisch".

Am Dienstag trifft Fischer mit Premier Sobotka zusammen. Außerdem stehen Besuche bei österreichischen Unternehmen und im österreichischen Gymnasium in Prag auf dem Programm. (Gerald Schubert auch Stochov und Prag, 11.4.2016)