Foto: Zsolt Wilhelm

Das Headset

Bild: Sony

Die Set-Top-Box ist mit Headset und Fernseher verbunden und splittet das VR-Bild zur externen Betrachtung oder für Multiplayer-Games auf.

Bild: Sony
Bild: Sony

PSVR sitzt komfortabel auf dem Kopf und drückt nicht auf das Gesicht.

Bild: Sony

Die Kopfhörer sind ebenfalls im Lieferumfang enthalten, es können aber beliebige Klinkenkopfhörer genutzt werden.

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Das Basispaket von PSVR kostet 399 Euro. Die Kamera wird benötigt, ist aber nicht im Lieferumfang enthalten.

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Will man alle Funktionen nutzen, benötigt man neben der PS4, Headset und der Kamera auch noch zwei PS-Move-Controller.

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Die verschiedenen Spielkonzepte umfassen VR-Games für den PS4-Controller, nur das Headset und PS Move.

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Playstation Move holt das meiste aus der VR-Immersion heraus.

Bild: Sony

Lokale Multiplayer-Games könnten ein Alleinstellungsmerkmal für PSVR werden.

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RIGS

Bild: Sony

Playroom VR

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Tumble VR

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VR Worlds

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Eve Valkyrie

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Until Dawn: Rush of Blood

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VR Worlds

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Battlezone

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VR Worlds

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VR Worlds

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Playroom VR

Foto: Playroom VR

Die perfekte Frisur für Virtual-Reality-Brillen (VR) ist eine Glatze, wie ein werter Kollege es so treffend formulierte. Und während man in der virtuellen Realität Raumschiffe abballert und wie auf Nadeln durch die Geisterbahn fährt, sieht man in der realen Realität wirklich alles andere als cool aus. Aber das Gleiche gilt eigentlich auch fürs Ins-Handy-Starren und Konzentriert-mit-Zunge-zwischen-den-Zähnen-Bilder-Malen, und springt man erst einmal über seinen eitlen Schatten, ist VR einfach ein großer neuer Spaß. Und zwar nicht die kurzlebige, kuriose Sorte Spaß, wie man sie von Erfindungen wie 3-D-Fernsehen oder Bewegungsspielen kennt, sondern die Sorte Spaß, von der man nicht genug bekommt.

Das liegt vermutlich daran, dass VR kein Gimmick ist und nicht einfach eine weitere nette Spielerei, sondern ein fundamental neuartiger Kanal, um Medien zu konsumieren. Und Videospiele und interaktive Medienformen profitieren ganz besonders davon. Anstatt virtuelle Inhalte aus der Distanz auf einem Monitor zu betrachten, verleiht VR das Gefühl, tatsächlich in der virtuellen Welt zu sein. Die Trennung zwischen Spielgeschehen und Spieler wird aufgehoben. Man selbst wird zum Spielcharakter oder zumindest Teil der virtuellen Umgebung.

Auf Sonys vergangener Messe PSX in München konnten Pressevertreter die finale Version von Playstation VR (PSVR) für PS4 ausprobieren und die ersten angekündigten Games antesten. Die Palette an unterschiedlichen Erlebnissen reichte dabei von eher passiven Tauchgängen über ungleich intensivere Comebacks klassischer Rail-Shooter bis hin zu kollaborativen Games, die das vermeintlich asoziale VR-Erlebnis zu einem kurzweiligen Spieleabend auf der Couch wandeln. Wie bereits die eben erschienenen PC-Systeme Oculus Rift und HTC Vive zeigen, ist VR überaus vielfältig nutzbar.

Bild: Playstation VR ist derzeit vorwiegend noch ein Sitzerlebnis.
Foto: Zsolt Wilhelm

Solide Technik mit Kompromissen

Um die brennenden technischen Fragen vorweg zu beantworten: Die finale Version von PSVR, die im Oktober auf den Markt kommen wird, sitzt noch eine Spur besser auf dem Kopf als die Prototypen davor. Das eigentliche Display hängt vor den Augen, anstatt wie bei anderen Modellen wie eine Taucherbrille gegen das Gesicht gepresst zu werden. Dadurch schließt die Maske das Sichtfeld zwar nicht komplett ab, es wird dafür aber auch nicht heiß, man kann eine optische Brille darunter tragen, und wenn es in den Augen oder in der Nase juckt, kann man sich kratzen, ohne das Headset abzusetzen. Klingt nach einer Einladung zur schlechten Etikette, doch Sie werden dies den Designern bei Ihren Spielsessions noch danken.

Das eigentliche Bild wird bei einem Blickfeld von rund 100 Grad ähnlich wie beim Tragen einer Tauchermaske umrahmt. Das ist nicht ideal, aber durch das verzögerungsfreie Head-Tracking bleibt das Gefühl, in der virtuellen Welt zu sein, dennoch aufrecht. Der Fliegengittereffekt (also das Sehen einzelner Pixel), der bei den Vorgängerversionen noch vorhanden war, wurde weitgehend eliminiert. Richtig scharf und glasklar wie auf einem modernen Smartphone ist das Bild bei einem derart geringen Betrachtungsabstand dennoch nicht.

Doch selbst bei pixeligeren und matschigeren Texturen als bei traditionellen Konsolenspielen auf dem Monitor wird man rasch ins Geschehen hineingezogen. Zu verdanken ist dies zu einem großen Teil der hohen Bildwiederholfrequenz (120 Hz oder 90 Hz bei PSVR), die garantiert, dass man sich umblicken und drehen kann, ohne den Mageninhalt zu verlieren. Bis die Rechenleistung moderner PCs und Konsolen stark genug ist, um Spiele in gestochen scharfer 4K- oder besser sogar 8K-Auflösung auszugeben, lässt es sich mit diesen Kompromissen unter dem Strich ganz gut leben.

Der Sound kommt über beliebige Klinkenkopfhörer ins Ohr. Eine willkommene Flexibilität, eine integrierte Lösung wie bei Oculus Rift wäre aus Komfortgründen dennoch schön gewesen.

Im Sitzen, aber nicht fuchtelnd

Eines hatten die von Sony demonstrierten VR-Spiele alle gemeinsam: Sie werden im Sitzen konsumiert. Das wird durch zwei Umstände bedingt: Einerseits hat PSVR mit Kamera und LE-Dioden an Headset, PS4-Controller und Move-Controller eine gute und schnelle Bewegungserfassung, allerdings verfügt es nicht über ein Roomscale-Tracking wie HTC Vive, das Bewegungen in alle Richtungen im Raum fehlerfrei erfassen kann. Andererseits geht Sony davon aus, dass zumindest anfangs die Mehrheit an Spielern keine Räume für VR-Erlebnisse schaffen können und wollen. So fokussieren sich die ersten Games für PSVR klar auf Kopf und Hände.

Video: Montage aus einigen der ersten Spiele für Playstation VR.
WIRSPIELEN

Games mit und ohne Controller

In der einfachsten Form erfolgt die Interaktivität lediglich über die Möglichkeit, sich umzuschauen. In der Spielesammlung "VR Worlds" beispielsweise kann man sich in einem Käfig in die Tiefe des Meeres hinunterlassen und die Unterwasserwelt bestaunen. Schildkröten und Korallenfische schwimmen vorbei, und man versinkt wie ein Regentropfen im See im Zen-Moment. Bis ein weißer Hai den Frieden stört und man ängstlich zusehen muss, wie das Gitter in Stücke gerissen wird. Speziell zur Gewöhnung an VR ist es ein spannendes Erlebnis, das jedoch nicht nur den Hai hungrig zurücklässt.

Hinter dem Steuer eines Panzers in "Battlezone" übernimmt man hingegen mit dem PS4-Controller selbst die Navigation. Um sich zurechtzufinden, wird der Controller virtuell eins zu eins abgebildet. Durch Kopfbewegungen kann man sein Cockpit genau unter die Lupe nehmen und sich in der "Tron"-artigen Kampfarena nach feindlichen Gefährten und Drohnen umsehen. Mit dem linken Stick lenkt man das Geschütz und feuert wie bei einem klassischen Shooter über die Abzüge. Trotz der stilisierten Grafik und klaren Strukturen wird man in die kriegerische Atmosphäre hineingezogen und vergisst rasch, dass man einen Controller in den Händen hält.

Doch aufgepasst: Wenn man Manöver versucht, die man aus traditionellen Spielen kennt, stellt man seinen Orientierungssinn auf die Probe. Seitwärts fahren (straven) und gleichzeitig nach vorne oder nach hinten schießen wirkt in der Realität genauso wie in VR unnatürlich. Generell werden Bewegungen in VR immer dann zur Magenprobe, wenn man sie noch nicht gewohnt ist.

Ebenfalls für den PS4-Controller entwickelt wird der Multiplayer-Shooter "RIGS" von Guerilla Cambridge. Darin steuert man einen Mech und tritt in einer Art Zukunftsfootball gegen menschliche Kontrahenten an. Beschleunigt und gefeuert wird mit dem Controller, gelenkt und gezielt wird entweder mit dem Stick oder mit Kopfbewegungen. Letzteres klappt überaus präzise, benötigt jedoch eine Eingewöhnungsphase. Und es verdeutlicht einen der größten Unterschiede zwischen VR und Monitorspielen: Der Kopf ist ständig in Bewegung. Vielleicht sogar ein positiver Nebeneffekt …

Move macht fast alles besser

So richtig intuitiv wird VR jedoch erst mit VR-Controllern. Im Fall der PS4 lassen sich dafür die optional angebotenen Playstation-Move-Controller einsetzen, die bereits zu PS3-Zeiten verkauft wurden. Mit Move erhält man virtuelle Hände, mit denen man Gegenstände wie Schwerter und Pistolen aufgreifen und auf natürliche Weise mit der Umgebung interagieren kann.

Davon Gebrauch macht unter anderem die Spielesammlung "VR Worlds" mit Erlebnissen wie "London Heist", in der man als Beifahrer in einem Pkw auf der Flucht mit einer Uzi Verfolger abschütteln muss. Man kann sich in dem Auto umsehen, das Radio aufdrehen, die Sonnenblende herunterklappen oder die Beifahrertür aufmachen und sich bei voller Fahrt herauslehnen – inklusive Windgeräusche! Über das Kamera-Tracking werden die Hände so flink erfasst, dass man schon bald unbewusst nach dem Getränkebecher oder dem Lautstärkeregler am Radio greift. Der Abzug simuliert die Greifbewegung.

Wie gut das funktioniert, verdeutlicht die eigentliche Schussmechanik. Nach der präzisen, aber nicht gerade komfortablen Maus-und-Tastatur-Steuerung am PC und der gemütlichen, aber vergleichsweise ungenauen Gamepad-Navigation auf Konsole gibt es mit VR-Controllern nun endlich eine Shooter-Steuerung, die extrem präzise und gleichzeitig intuitiv ist. Man zielt mit der Hand in eine Richtung und schießt, mehr braucht es nicht. Und zum Nachladen greift man mit einer Hand ein Magazin auf und schiebt es in die Ladekammer. Wer sich bisher nicht an Shooter auf PC und Konsole herangewagt hat, dem werden in VR neue Türen geöffnet.

Es gibt dennoch einen Haken: Dieser neue Spaß am virtuellen Ballern ist abgesehen von Cockpit-Shootern derzeit hauptsächlich ein stationäres Erlebnis. Die Navigation "zu Fuß" in VR-Spielen stellt für alle Hersteller noch eine Herausforderung dar, die unterschiedliche Lösungsansätze hervorbringt. Während manche Spiele die User von Szene zu Szene beamen, nutzen andere diese Limitierung zum Comeback für klassische Rail-Shooter.

Und das mit großem Erfolg: In "Until Dawn: Rush of Blood" beispielsweise wird man in einem Wagen durch eine tödliche Achterbahn gefahren und muss dabei mit diversen Bleispritzen ziemlich gruselige Geister und Zombies abwehren – jede Menge Jump-Scares inklusive. Es ist bestimmt nicht die einfallsreichste Anwendung für VR, aber ein überaus effektives Beispiel dafür, wie intensiv simple Lightgun-Shooter durch VR zum Leben erweckt werden. Und Gruselszenen erreichen hier sowieso eine neue Dimension des Gänsehautgefühls.

Video: Spielmitschnitt von "Until Dawn: Rush of Blood".
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Multiplayer

Dass VR keine "asoziale" Beschäftigung sein muss, zeigt die zum Start kostenlos verfügbare Minispielesammlung "Playroom VR" mit lokalen Multiplayer-Ideen. Über eine bei PSVR mitgelieferte Set-Top-Box kann das Bild des Spiels sowohl über die Brille als auch auf einem Fernseher ausgegeben werden. Dadurch können andere nicht nur zusehen, sondern an Games teilnehmen. So wird der PSVR-Träger beispielsweise zum Monster, das Jagd auf kleine Roboter macht, die von bis zu vier anderen Spielern per Controller gesteuert werden. Die Roboter müssen das Monster wiederum mit Gegenständen bewerfen. Der PSVR-Träger muss versuchen, rechtzeitig mit seinem Kopf auszuweichen.

In einem spukenden Zimmer wiederum macht man sich in Absprache auf Geisterjagd. Der VR-Spieler kann sich im Raum mit einer Taschenlampe umsehen, den Geist sehen können allerdings nur die Kollegen am Fernseher. So gilt es, dem VR-Spieler anzusagen, wo sich der Geist aufhält, der dann wiederum wie bei "Ghost Busters" seinen Sauger auf das Gespenst richtet und in den Apparat saugt – alle gefangenen Wesen werden in der virtuellen Abbildung des PS4-Controllers festgehalten.

Eine weitere Demo lehnt sich hingegen am Kinderspiel "Versteinern" an. Der VR-Spieler schlüpft in die Rolle einer Katze, die hinter dem Vorhang sitzt. Die anderen Spieler steuern Mäuse und müssen unentdeckt hinter Gegenständen hervorspringen, um Käsestücke einzusammeln. Wenn die Katze den Kopf durch den Vorhang steckt, schnappt sie sich alle Mäuse, die sich nicht rechtzeitig wieder verstecken konnten.

"Playroom VR" erinnert mit diesen und weiteren Demos an eine aufgebohrte Version von "Nintendo Land" für Wii U. Das ist positiv zu verstehen, denn es sind exakt solche kleinen, aber innovativen Ideen, die VR-Entwickler hoffentlich langfristig zu ausgefalleneren Spielen inspirieren werden. Die schlichte Grafik schmälert das Erlebnis übrigens kaum. Überhaupt ist VR zumindest in diesen Anfangstagen so überwältigend, dass selbst einfache Formen und heruntergeschraubte Effekte begeistern. Sobald sich die Augen eines Monats oder Jahres an VR gewöhnt haben, dürften grafische Details wiederum wieder wichtiger werden, um die Immersion aufrechtzuerhalten.

Massenmarktprodukt

Auffallend war im Zuge der vielen Spielstationen, dass PSVR schon Monate vor dem Marktstart reif für Konsumenten erscheint. Wenngleich nicht alle Demos immer zu 100 Prozent fehlerfrei liefen, wirkte es schon so, als wären das Produkte, die man bereits nach Hause mitnehmen könnte. Die Nutzung des Headsets ist unkompliziert, und wenigstens im Sitzen stört auch das lange Kabel zur Konsole kaum.

Unklar hingegen ist bislang, was man für die ersten PSVR-Spiele tatsächlich alles benötigt. Abseits der Brille und der Set-Top-Box, die zusammen für 399 Euro angeboten werden, wird eine Playstation-Kamera (nochmals rund 50 Euro) vorausgesetzt. Wer bereits eine hat, kann diese natürlich weiterverwenden. Der PS4-Controller unterstützt ebenfalls PSVR, allerdings kommt man bei einigen Erlebnissen nicht um zwei Playstation-Move-Controller herum (nochmals circa 50 Euro). Und wie beschrieben, sind gerade die Move-Titel mitunter die eindrucksvollsten.

Hier bleibt abzuwarten, welche Spiele zum Start tatsächlich zur Verfügung stehen werden. Geht man vom ersten gezeigten Line-up aus, wird jedoch in jeder Kategorie etwas zu haben sein. Rund 50 Games sollen noch 2016 erscheinen.

Wer alles für PSVR spielen können will, benötigt also neben einer PS4 (derzeit circa 349 Euro) und PSVR alle genannten Zubehöre, was den Gesamtpreis auf etwa 850 Euro schraubt. Nicht gerade wenig Geld für den Einstieg in die virtuelle Welt, im Vergleich zu PC-Lösungen wie HTC Vive oder Oculus Rift ist das jedoch mit großem Abstand immer noch das günstigste Ticket.

Podcast: Unsere Einschätzung zu Playstation VR. Manuel Fritsch von Insert Moin spricht mit Zsolt Wilhelm vom GameStandard über die Erfahrungen mit PSVR. – Podcast herunterladen
Insert Moin

Einschätzung

Playstation VR wird zum Marktstart nicht das leistungsstärkste Virtual-Reality-System sein. Wer im Raum herumlaufen will, erhält mit HTC Vive ein besseres Trackingsystem, und die Auflösung ist bei den PC-Lösungen ebenfalls höher. Doch PSVR funktioniert. Sehr gut sogar. Und im Gegensatz zu den Leistungsvorreitern wirkt Sonys Konzept schon jetzt wie ein massenmarkttauglich(er)es Produkt. Die Einrichtung des Headsets ist einfach, und außer über die Anschaffung einer PS4 muss man sich über keine anderen Hardware-Details Gedanken machen. Ein Umstand, der PSVR vermutlich auch für Entwickler sehr interessant machen wird. Mit einer Installationsbasis von prognostizierten 50 Millionen PS4s bis Ende 2016 haben Hersteller eine potenziell sehr große Zielgruppe in Sicht. Aber ob nun Sony, HTC oder Oculus auf dem eigentlichen Gerät steht: Letztendlich wird es nicht um einzelne Pixel und Spezifikationen, sondern um die Qualität der Inhalte gehen. Und in diesem entscheidenden Punkt ist hier und heute noch alles offen. (Zsolt Wilhelm, 11.4.2016)

Playstation VR erscheint im Oktober. Das Basissystem mit Headset und Set-Top-Box kostet 399 Euro.