Erwin Pröll

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Die offizielle Version der ÖVP lautet so: Johanna Mikl-Leitner habe den Wunsch gehabt nach Niederösterreich zurück zu wechseln. Sie sei ohnehin länger in der Bundespolitik tätig gewesen als ursprünglich ausgemacht worden sei.

Tatsächlich war die Innenministerin schon seit längerer Zeit angezählt. Rücktrittsaufforderungen gab es schon vor der großen Flüchtlingskrise, zum Beispiel rund um das Chaos-Management in Traiskirchen. Mit der Anzahl der Flüchtlinge stieg auch die Kritik an ihrer Performance. Wie hart der Job war, für den sie sich selbst nicht schonte, war ihr auch anzusehen.

Nun kommt es zur Rochade zwischen Mikl-Leitner und Prölls Landeshautpmann-Stellvertreter Wolfgang Sobotka. Letzterer brachte sich in den vergangenen Monaten immer mehr als neuer Landesfürst in Stellung. Das konnte er auch deshalb, weil Erwin Pröll durch sein eher peinliches Nicht-Antreten bei der Bundespräsidentschaftswahl an jener Strahlkraft verloren hatte, die sonst in der ÖVP alle geblendet hatte. Mit dem Austausch zeigt Pröll nun noch einmal, wer das Sagen hat: nämlich er.

Es mag verständlich sein, dass sich ein mächtiger Landeshauptmann seine Nachfolge selbst aussucht und dabei lieber auf eine Person zurückgreift, die ihm gegenüber zu 100 Prozent loyal ist. Aus bundespolitischer Sicht ist der Wechsel jedoch – vor allem zum jetzigen Zeitpunkt – nicht nachvollziehbar.

Mikl-Leitner hatte zuletzt gemeinsam mit Außenminister Sebastian Kurz wieder an Trittsicherheit gewonnen, im Boulevard wurden sie für ihre harte Flüchtlingslinie abgefeiert wie selten zuvor. Und sie hat eines geschafft, was in Österreich Seltenheitswert hat: Sie hat gemeinsam mit dem Koalitionspartner – in Person von Neo-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) – Politik gemacht. Ob sich dieser auch mit Sobotka so gut verstehen wird, ist fraglich. Hier besteht eher die Gefahr, dass sich zwei Alphamänner in die Haare kriegen, was die Koalition eher schwächen als stärken könnte. Wie schwer man es mit Sobotka haben kann, hat zuletzt dessen Parteikollege, Finanzminister Hans Jörg Schelling, im Streit um die Hypo zu spüren bekommen.

Betrachtet man die ÖVP in ihrer Gesamtheit (wenn das auf Grund der Bündestruktur überhaupt möglich ist), so zeigt der Wechsel vor allem eines: Hier trifft nicht der Parteichef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner die wichtigen Entscheidungen, sondern der Landeshauptmann von Niederösterreich. Die Entscheidungen werden auch nicht nach sachpolitischer Dringlichkeit gefällt, sondern nach machtpolitischem Kalkül einer Einzelperson. Noch, denn mit dem Abtritt von Pröll, der angeblich für Dezember erwartet wird, wird es in der ÖVP eine Neuverteilung der Macht geben. Und wie steht es mit den Inhalten? Um die geht es hier nicht. (Rainer Schüller, 9.4.2016)