Offene Kommunikation bei Bauvorhaben wird von Bürgern heute nicht nur begrüßt, sondern auch aktiv eingefordert. Sonst entstehen Missverständnisse.

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Wien wächst – und braucht dringend mehr leistbare Wohnungen. Leichter gesagt als getan, meinen Kritiker. Für viele Entwickler sind Bürgerinitiativen, die sich immer öfter rund um Neubauprojekte formieren, ein Problem. Auf jeden Fall aber sind sie eine Herausforderung an ihre Kommunikationsstrategen.

In diesem Bereich sieht Wolfgang Immerschitt von der Salzburger Kommunikationsagentur plenos "Aufholbedarf". Gemeinsam mit dem Bauprojektmanager pm1 bietet er seit kurzem Projektmanagement und -kommunikation aus einem Guss an: "Bauprojekte sind Kommunikationsbaustellen", sagt er.

"Erste Zahl pickt"

Und an schlechter oder fehlender Kommunikation könnten Projekte scheitern, warnt Arnold Schmitzer von pm1. Die Liste der Fehlerquellen ist lang: Ein "Bauskandal" sei in Wahrheit oft ein "Kommunikationsskandal". Häufig werde nicht definiert, wer Informationen an die Medien gibt. Oft sei zudem gar nicht klar, ob Brutto- oder Nettobaukosten kommuniziert werden – und ob beispielsweise die Kosten für den Kreisverkehr, der im Rahmen des Bauprojekts errichtet werden muss, auch zu den Baukosten gezählt werden.

Gelegenheit zur Korrektur eines Fehlers gibt es nicht: "Die erste Zahl pickt", so Schmitzer. Um die voraussichtlichen Baukosten zu ermitteln, müsste eine "gewisse Zahl" an Experten konsultiert werden: "Aber das kostet Geld." Und so würden die Kosten mitunter ohne konkrete Unterlagen ermittelt. "Dabei müsste man diese Kosten vor Projektstart exakt definieren und kommunizieren. Nur so kann man das Ziel erreichen", sagt Schmitzer.

Missverständnis am Anfang

Auch Terminabläufe würden nur selten kommuniziert, sagt Immerschitt. Die Parole "Es geht los" bedeute für Laien, dass demnächst die Bagger anrollen. In Wahrheit werde aber zu diesem Zeitpunkt erst mit der Planung begonnen. Bis dann tatsächlich der Bagger kommt, können noch fünf Jahre vergehen. "Das ist oft schon ein großes Missverständnis am Anfang", sagt Immerschitt. So komme es zu einer "gewissen Verdrossenheit, weil scheinbar wieder nichts passiert".

Bei größeren Projekten gebe es oft zahlreiche Gerüchte und Missverständnisse. Werden die Tatsachen richtig kommuniziert, dann erzeuge man wenigstens ein "Mindestmaß an Verständnis", glauben die Experten – auch indem alle Beteiligten aktiv in den Entstehungsprozess eingebunden werden: "Die Leute wollen gehört werden", sagt Immerschitt.

Zusätzlicher Aufwand

Davon weiß auch Andreas Holler, für das Geschäftsfeld Neubau verantwortlicher Geschäftsführer bei der Buwog, ein Lied zu singen. Die Buwog bemühe sich "von jeher, alle direkt und indirekt von einem Bauvorhaben Betroffenen rechtzeitig und umfassend über unsere Planungen zu informieren." Heute würden Kommunikation, Transparenz und Offenheit von den Bürgern nicht nur begrüßt, sondern auch eingefordert.

Das bedeute aber auch zusätzlichen Aufwand – was dann akzeptabel sei, wenn alles in einem vernünftigen Zeitrahmen abgewickelt werde: "Derzeit ist das leider nicht der Fall, und wir verlieren bis zu einem Jahr und mehr", so Holler. Das erhöhe die Projektkosten, verteuere die Wohnungen und trage wesentlich dazu bei, dass die Neubauleistung in Wien "bei weitem" nicht so hoch sei, wie sie sein sollte beziehungsweise könnte.

Alle Probleme lassen sich auch durch die perfekte Kommunikation nicht lösen: "Aber wenn die Menschen sehen, dass man sich bemüht, dann kann man ihnen viel Wind aus den Segeln nehmen", berichtet Immerschitt von seinen Erfahrungen. Mitunter gehe es nämlich um simple Fragen – etwa dahingehend, wie der Baustellenverkehr geregelt oder wann konkret gearbeitet werde.

Abrisspartys und Plattformen

Oft seien es kleine Maßnahmen, die große Wirkung zeigen: eine Aussichtsplattform auf die Baustelle zum Beispiel, die Transparenz suggeriere. "Oft ist nämlich nicht einmal ein Loch im Zaun", sagt Schmitzer.

Auch Veranstaltungen für die Anrainer – etwa eigene Sprechstunden – könnten sich auszahlen. Und eine Abbruchparty: "Jene Menschen, denen das wichtig ist, die nehmen das an", sagt Schmitzer. Denn oft würden Menschen sehr an Bestandsgebäuden hängen. "Man darf nicht vergessen: Eine Bürgerinitiative besteht ja nicht aus hunderten Leuten." Und oft seien Anrainer auch dadurch schon zu besänftigen, dass sie sich ein kleines Erinnerungsstück aus dem alten Gebäude mitnehmen dürfen. (Franziska Zoidl, 9.4.2016)