Innsbruck – Physikern der Universität Innsbruck ist es erstmals gelungen, die magnetische Wechselwirkung zwischen weit auseinanderliegenden, ultrakalten Atomen zu messen. Wie die Forscher im Fachjournal "Science" berichten, eröffnet dies neue Möglichkeiten der Quantensimulation. Dabei werden die ungewöhnlichen Eigenschaften der Quantenmechanik genutzt, um komplexe Probleme mit Hilfe von Quantensystemen lösen zu können.

Bereits in den 1990er-Jahren haben die theoretischen Physiker Ignacio Cirac und Peter Zoller konkrete Konzepte ausgearbeitet, wie Quantenprobleme mit ultrakalten Atomen in einem optischen Gitter erforscht werden könnten. Dabei werden mit Hilfe von Laserstrahlen dreidimensionale Gitter erzeugt, in denen sich die Atome anordnen.

Dieses Konzept hat sich bewährt, es gibt bereits zahlreiche experimentelle Anwendungen. Die ultrakalten Teilchen lassen sich in diesen Gittern gut kontrollieren, man erhalte so "einen großartigen Einblick in deren physikalische Eigenschaften", erklärte Francesca Ferlaino vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Gekühltes Erbium

Gemeinsam mit Theoretikern um Zoller haben Ferlaino, Erstautor Simon Baier und Kollegen diesen Ansatz nun erweitert. Bisher wurde nur die nicht-magnetische Kontakt-Wechselwirkung zwischen den Teilchen gemessen. Dafür müssen die Teilchen aber sehr nahe zusammenliegen.

Die Wissenschafter wollten aber wissen, was passiert, wenn Teilchen auch über größere Entfernungen miteinander wechselwirken – wie dies in Materie der Fall ist. Sie verwenden dazu stark magnetische Atome von Erbium. Diese werden auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (minus 273,15 Grad Celsius) gekühlt und nehmen dabei den Zustand der geringstmöglichen Energie ein – sie bilden ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat (BEC).

In diesem Zustand werden die Atome in das aus Laserstrahlen gebildete dreidimensionale Gitter geladen, wo sie sich anordnen. Mit einem Magnetfeld können die Physiker nun die Ausrichtung der magnetischen Atome, die sich wie kleine Magnete verhalten, direkt verändern. So lässt sich sehr genau steuern, wie die Teilchen miteinander wechselwirken – ob sie sich anziehen oder abstoßen.

Neue Messmöglichkeiten

"Sie dürfen nicht vergessen, dass jedes Atom in seiner eigenen Mulde sitzt und sie dennoch miteinander wechselwirken. Das ist so, als ob Sie in ihrem Wohnzimmer sitzen und spüren, ob der Nachbar zu Hause ist", sagte Ferlaino. Dabei erfolge die Wechselwirkung nicht nur zwischen zwei, sondern zwischen vielen Atomen – und damit ähnlich wie üblicherweise in Festkörpern, wo die Verhältnisse wesentlich komplexer sind als in bisher untersuchten Quantengasen. "Das eröffnet uns deutlich vielfältigere Szenarien für Quantensimulationen als bisher", so die Physikerin.

Mit dem Experiment sollten grundsätzlich auch theoretisch vorhergesagte exotische Quantenphasen wie Schachbrett- oder Streifenmuster gemessen werden können, die durch langreichweitige Wechselwirkungen entstehen. (APA, 9.4.2016)