Die medialen Headlines zum Panama-Datenleck überschlagen sich. Es wird darüber berichtet, dass weltweit zahlreiche Ermittlungen in Gang gesetzt und Erhebungen und Prozesse angekündigt wurden. In Österreich hat die Finanzmarktaufsicht eine Sonderprüfung der Raiffeisenbank International und der Hypo Vorarlberg angekündigt, und die Staatsanwaltschaft hat mitgeteilt, dass sie die ihr zukommenden Informationen zur Feststellung eines Anfangsverdachts, was zur strafrechtlichen Verfolgung einzelner Steuerbetrüger und anderer krimineller Elemente führen kann, prüft.

Es ist denkbar, dass die Mühe der Beamten in Österreich zum Unterschied von anderen EU-Ländern und Drittstaaten umsonst ist, weil sämtliche Dokumente rechtswidrig erlangt wurden.

Wie die Rechtsanwaltskanzlei Mossack Fonseca & Co., die die Drehscheibe für die Panama-Geschäfte gewesen sein soll, ausdrücklich betont hat, sind die den Medien zugespielten Unterlagen durch einen Hackerangriff auf das elektronische System ihrer Kanzlei erlangt worden. Dadurch ist die den Anwälten auferlegte Verschwiegenheitspflicht durch einen rechtswidrigen Akt von Dritten gebrochen worden, wodurch die Mandanten der Kanzlei bloßgestellt und in ihren Grundrechten verletzt worden sind. Es ist unbestreitbar, dass das Leaken von Dokumenten unter Umgehung des die Klienten schützenden Grundrechts auf Geheimhaltung nicht vernachlässigbar ist.

In Österreich gibt es zu einem vergleichbaren Sachverhalt bereits eine Gerichtsentscheidung, die jede Verwertung rechtswidrig und in Umgehung der anwaltlichen Verschwiegenheitsrechte und -pflichten beschaffter Unterlagen in einem Verwaltungs-, Zivil- und/oder Strafverfahren untersagt. Der betreffende Beschluss hat eine Grenze für Verfolgungshandlungen gezogen, die zum Beispiel in Deutschland – damals aber auch in Österreich – bei der Verwertung durch einen Bankangestellten gestohlener vertraulicher schweizerischer und liechtensteinischer Bankunterlagen und der darauf gestützten Verfolgung von Steuersünden – noch – nicht gegolten hat.

Konkret hat das Landesgericht Linz in seiner Entscheidung 19 Hr 217/15g in einem durch das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung eingeleiteten Strafverfahren unter anderem wegen des Verdachts der Spionage gegen einen prominenten Wiener Rechtsanwalt die Verwertung von Kanzleiunterlagen seiner Anwaltskanzlei ohne seine Zustimmung und zu seinem Nachteil in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ausdrücklich untersagt.

Es gab damit dem Einspruch des betroffenen Rechtsanwalts statt, der behauptet hat, im Ermittlungsverfahren durch die Verfolgungsbehörde in seinem subjektiven Recht verletzt worden zu sein, weil das Ermittlungsverfahren unter Verletzung von "Gesetzesbestimmungen" durchgeführt worden sei. Es stelle eine Umgehungshandlung dar, wenn der beruflichen Verschwiegenheit unterliegende Unterlagen von Personen verwendet werden, die Entschlagungsrecht hätten und jede Aussage dazu verweigern dürften. Schon die Sicherstellung und Beschlagnahme solcher Unterlagen oder auf Datenträgern gespeicherter Informationen sei eine Umgehung des Verschwiegenheitsrechts.

Das Gericht hat ausgeführt, dass nicht nur die Klienten des Rechtsanwaltes vom Schutzbereich der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht umfasst seien, sondern dieser auch den Geheimnisträger selbst schütze. Erst dann, wenn der Geheimnisträger, somit der Rechtsanwalt selbst, einer Straftat schon dringend verdächtigt sei, wäre eine Verwertung von Unterlagen zulässig. Wenn ein bloß begründeter Tatverdacht bestehe, dürfen die Unterlagen nicht verwendet werden, auch wenn gerade durch deren Verwertung eine Überführung des Täters möglich wäre.

Wie die Anwälte der Kanzlei Mossack Fonseca & Co. mit Sitz unter anderem in Panama ausdrücklich dargelegt haben, stützen sich alle Medienberichte auf Vermutungen und Stereotype. Mossack Fonseca & Co. seien noch nie im Zusammenhang mit kriminellen Handlungen beschuldigt oder angeklagt worden und seien auch im gegenständlichen Fall weder angezeigt noch offiziell angeklagt worden. Wie der Teilhaber der Rechtsanwaltskanzlei Ramón Fonseca Mora ausgeführt hat, halte sich die Kanzlei an internationale Standards, um weitestmöglich sicherzustellen, dass von ihr gegründete Gesellschaften nicht zu Steuerhinterziehung, Geldwäsche, deren Finanzierung oder für andere kriminelle Zwecke genutzt würden. Die Staatsanwaltschaft hat selbst zugegeben, dass sie vorläufig nur einen Anfangsverdacht prüfe. Von dringendem Tatverdacht keine Rede.

Wendet man die zitierte Gerichtsentscheidung auf die Panama-Papiere an, dürften die österreichischen Behörden daher keine Ermittlungshandlungen auf diese Dokumente stützen. Laut Landesgericht Linz sei es nicht von Belang, auf welchem Weg die Unterlagen in die Hände der Ermittlungsbehörde gelangt seien. Von dieser Warte aus wäre es schon unzulässig, dass die Finanzmarktaufsicht und die Staatsanwaltschaft die ihr zugespielten Unterlagen auch nur durchlesen oder sonst in irgendeiner Weise benutzen.

Eine Schutzoase?

Schafft Österreich damit bewusst eine Schutzoase für Geldwäscherei und beschränkt sich darauf, das Hacken sensibler Unterlagen ad absurdum zu führen? Es könnte in Anbetracht der Bedeutung der Panama-Enthüllungen und des internationalen Drucks aber auch dazu kommen, dass abweichend von der zitierten Gerichtsentscheidung in diesem Fall die gestohlenen Unterlagen dennoch verwertet und Personen strafrechtlich verfolgt werden.

Dann müsste sich die Behörde aber vorwerfen lassen, dass das Landesgericht Linz ein Sonderrecht für die betroffene Anwaltskanzlei geschaffen hätte. Ein unbefriedigendes Ergebnis! (Georg Zanger, 7.4.2016)