Die für Syrien vereinbarte Waffenruhe scheint immer öfter nur mehr auf dem Papier zu existieren. In den vergangenen Tagen sind verstärkt Kämpfe in dem Bürgerkriegsland ausgebrochen, die die am 27. Februar in Genf vereinbarten "Einstellungen der Feindseligkeiten" zunehmend gefährden. Asaad al-Zubi, ein Mitglied der Oppositionsführung, sagte am Mittwoch, die Waffenruhe laufe Gefahr, zu scheitern.

Zwar gab es bisher schon immer wieder vereinzelt Zwischenfälle, die im vergangenen Monat zu dutzenden Toten während der Waffenruhe führten, doch haben die Kämpfe, die am Wochenende ausgebrochen sind, eine neue Dimension erreicht.

Al-Kaida-Initiative

Jihadisten der Nusra-Front, des syrischen Ablegers der radikalislamischen Al-Kaida, bildeten die Speerspitze bei einem Angriff auf al-Is, einen Ort im hügeligen Südwesten der Metropole Aleppo. Die strategische Bedeutung des Ortes liegt in seiner Lage, von der aus man die Autobahn M5, eine wichtige Verbindungsstraße, die die Hauptstadt Damaskus mit Homs und Aleppo verbindet, überblickt. Die über 400 Kilometer lange Strecke ist das Rückgrat des syrischen Straßennetzes.

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Kämpfer der Nusra-Front posieren für ein Propagandavideo der Gruppe.
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Die Nusra-Front schlachtent die Kämpfe bei Al-Is propagandistisch aus. Seit dem Wochenende wurden insgesamt fünf Videos veröffentlicht, die die Kämpfe und Selbstmordattentate zeigen sollen.
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Doch die Angriffe erfolgten weder spontan noch planlos. Die Nusra-Front führt schon seit Wochen Gespräche mit oppositionellen Gruppen, um sie auf ihre Seite zu ziehen. Und so nehmen auch Rebellengruppen, die unter dem Banner der "Freien Syrischen Armee" (FSA) kämpfen und Teil einer friedlichen Lösung des Konflikts in Syrien sein sollten, an den Kämpfen teil. Die Taktik der Nusra-Front folgt einem simplen Kalkül: Ein Erfolg eines politischen Prozesses zwischen Opposition und Regime würde den Einfluss der kampferfahrenen Nusra-Front in Syrien nachhaltig gefährden. Deswegen versuchen sie immer mehr Rebellengruppen auf ihre Seite zu ziehen.

Die Extremisten der Nusra-Front und mit ihr verfeindeten "Islamischen Staates" (IS) sind schon bisher von der Waffenruhe ausgenommen und werden von Russland und der westlichen Koalition angegriffen.

Rebellen gegen IS

Auch in anderen Landesteilen flammten Kämpfe auf. In der Provinz Latakia gelang es Rebellen, die offenbar nicht zur Nusra-Front gehören, mehrere Orte von den syrischen Truppen zurückzuerobern. In der Nähe der Hauptstadt Damaskus griffen Kämpfer des "Islamischen Staates" (IS) in der Nacht zum Mittwoch Stellungen der syrischen Armee an. Zu den Zielen gehörte auch das Tischrin-Kraftwerk rund 50 Kilometer nordöstlich von Damaskus.

Die Situation ist aber – wie für Syrien üblich – verworren: So eroberten oppositionelle Rebellengruppe in den vergangenen Tagen auch Orte nördlich von Aleppo, die bisher nicht unter Kontrolle der Regierungstruppen, sondern des IS standen.

Friedensgespräche

Unter all diesen Vorzeichen findet demnächst ein Treffen der syrischen Opposition in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad statt, um sich auf die nächste Runde der Friedensgespräche in Genf vorzubereiten. Am Montag ist dann die Fortsetzung der UN-geführten Friedensverhandlungen in der Schweiz vorgesehen. (stb, 7.4.2016)