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Ein offenes Ohr für die Kundschaft ist gemäß einer Studie für Banken entscheidend im künftigen Privatkundengeschäft: Aus schnöden Callcentern sollen dazu Kontaktcenter werden.

Foto: dpa/Uli Deck

Wien – Quälend langes Warten auf eine mehr oder weniger freundliche Stimme, die den Anliegen der Anrufer nicht immer gerecht werden kann: Einschlägige Erfahrungen mit Callcentern dürften die meisten schon gemacht haben – und es waren wohl nicht nur die besten. Dementsprechend wundert es kaum, dass Callcenter unter allen Kontaktkanälen im Privatkundengeschäft von Banken laut einer internationalen Erhebung der Beratungsfirma Bain & Company bei der Kundschaft am schlechtesten abschneiden.

Österreich stelle diesbezüglich keine Ausnahme dar, wie Studienautor Nikola Glusac versichert, dieser Umstand treffe auf alle europäischen Märkte fast im gleichen Maß zu: "Callcenter waren bisher nicht im Fokus der Banken." Aber mit diesem Zugang zu dem Beratungs- und Vertriebskanal sollte künftig Schluss sein, vielmehr sollten Callcenter wieder deutlich am Bedeutung gewinnen und sich zu Kontaktcentern weiterentwickeln. "Der Kostendruck in der Branche und neue technologische Möglichkeiten eröffnen neue Wege der Kundenbetreuung und im Vertrieb."

Positives Kundenerlebnis

Kernstück dieses Transformationsprozesses in Richtung Kontaktcenter ist der Einsatz von Technologien wie Videotelefonie, um eine qualitativ höherwertige Beratung anbieten zu können. "Banken sollten sicherstellen, dass das Kundenerlebnis bei Kontaktcentern positiv ist", ergänzt Glusac. Dadurch können seiner Ansicht nach die Raten der Geschäftsabschlüsse und damit auch die Ertragspotenziale angehoben werden.

Weniger beratungsintensive Kundenkontakte können laut dem Bankenexperten auf andere Kanäle wie einen Text-Chat ausgelagert – oder im besten Fall gänzlich vermieden werden. Denn bis zur Hälfte aller derzeitigen Kundenanrufe hält Glusac für gänzlich vermeidbar. Den Schlüssel dazu sieht er in einem verbesserten digitalen Angebot: Je intuitiver sich diese bedienen lassen und je detaillierter die Hilfefunktionen ausfallen, desto weniger würden zum Hörer greifen. "Die Digitalisierung schreitet immer stärker voran und wird von den Kunden auch angenommen."

Ein großes Plus dieser Kontaktcenter ist die zwischenmenschliche Interaktion. Eine sogenannte "virtuelle Nähe", die von vielen Kunden noch geschätzt werde – weshalb Glusac davon ausgeht, dass diese Center künftig wieder vermehrt von den Banken selbst betrieben statt ausgelagert werden: "Wir beobachten eine Entwicklung weg von Outsourcing hin zum Insourcing. Da gibt es eine klare Tendenz."

Mehr Geschäftsabschlüsse

Allerdings kostet das auch Geld, denn "dafür braucht man Investitionen". Diese seien bei modernen Callcentern aber überschaubar. Zur Verdeutlichung bringt der Studienautor die sogenannten Servicelevel ins Spiel. Auf einem 80/20-Niveau dringen 80 Prozent der Anrufer binnen 20 Sekunden zu einem Gesprächspartner durch. Wer das Angebot auf eine 90/10-Spitzenleistung hieven will, muss mit Mehrkosten von rund zehn bis 15 Prozent rechnen. Die ausgewogene Balance zwischen Kundenerlebnis und Kosteneffizienz müsse aber jede Bank für sich selbst finden.

Praxisbeispiele hätten gezeigt, dass manche Banken die Geschäftsabschlüsse um bis zu 15 Prozent steigern und dabei auch das Servicelevel hätten erhöhen können, was auch die Kunden honorieren würden. "Das Kontaktcenter ist die Drehscheibe für Kundenkontakte – und damit eine entscheidende Stellgröße für die Retailbank der Zukunft." (Alexander Hahn, 10.4.2016)