Die Studienplätze für Medizin sind begehrt: Wer den EMS-Test nicht schafft, muss ein Jahr pausieren oder an einer privaten Universität studieren – und muss dafür zahlen. Dass weitere private Med-Unis geplant sind, missfällt Markus Müller, Rektor der Med-Uni Wien.

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Wien – Es versetzt Markus Müller, Rektor der Med-Uni Wien, einigermaßen in Unruhe. Zwei weitere Privatuniversitäten wollen ein Medizinstudium anbieten und bewerben sich um eine Akkreditierung. Aus Müllers Sicht gibt es dafür wenig überraschend keinen Bedarf, er befürchtet eine Abwertung des Forschungsstandorts Österreichs und eine "Zweiklassenausbildung bis hin zum Doktor med light".

In Österreich bieten drei staatliche Universitäten das Studium der Humanmedizin an: Wien, Graz und Innsbruck, seit Herbst 2014 gibt es auch eine medizinische Fakultät in Linz. Derzeit gebe es Pläne für eine auf Ausbildung konzentrierte private "Medical School" in Tirol sowie eine Privatuniversität in Baden bei Wien. Diese Aussichten findet der Rektor "ungewöhnlich für ein kleines Land wie Österreich".

Privat-Unis als Geschäftsmodell

Für die staatlichen Unis gibt es eine beschränkte Anzahl an Plätzen, der berüchtigte EMS-Test soll die geeigneten Studierenden ausfiltern. Wer keinen der begehrten Studienplätze erhält, muss ein Jahr warten – oder eben auf eine Privatuni ausweichen und dafür tief in die Tasche greifen. An der Karl-Landsteiner-Universität in Krems etwa sind es 7.000 Euro, an der Paracelsus-Universität in Salzburg 7.100 Euro und an der Wiener Sigmund-Freud-Universität 11.000 Euro pro Semester.

Müller sieht darin ein "Geschäftsmodell", lokale Interessen würden dabei bedient. Seine Kritik richtet sich vor allem an die Akkreditierungsagentur AQ. "Die Latte, um hier eine Akkreditierung zu erhalten, ist so niedrig, dass es international nicht salonfähig ist." Seiner Ansicht nach würde es reichen, wenn die AQ Austria ihre Kritierien "intern anders positionieren" würde: "Das würde das Gesetz auch hergeben."

Diese Auffassung teilt Achim Hopbach, Geschäftsführer der AQ, im STANDARD-Gespräch nicht: "Die Anerkennung privater Unis bezieht sich nicht nur auf formale Kriterien, sondern auf Umfang und Ausrichtung der Forschung". Die AQ entscheide nicht über die Anzahl der privaten Unis, sondern prüfe, ob die Qualitätsstandards erfüllt werden. "Im Übrigen müsste Rektor Müller das Prozedere kennen, da die Med-Uni Wien auch bei der Gründung der privaten Landsteiner Uni beteiligt war", sagt Hopbach.

"Privatunis nützen Struktuproblem aus"

Diese stellt für den Rektor auch eine Ausnahme dar und er verweist auf Kooperationen. Es sei eine Frage der Qualität, nicht der Konkurrenz: "Wir würden uns nicht wehren, wenn Johns Hopkins hier einen Standort aufmacht."

Mit der Gründung von Privat-Unis werde ein Strukturproblem ausgenützt, um ein Defizit in der Gesundheitspolitik zu lösen. Denn sie sollen einem Ärztemangel lokal entgegenwirken, den es so für Müller nicht gibt. Uni-Rats-Vorsitzender Erhard Busek pflichtet ihm bei. Österreich produziere genügend Ärzte, es gebe nur einen Mangel an niedergelassenen Ärzten. Man müsse sich fragen, warum die Absolventen nicht in Österreich bleiben, hier sei das Gesundheits- und Sozialressort gefragt. Von dort vernehme er aber nur "Schweigen".

Schaden für Ruf der Med-Uni Wien befürchtet

Weil bei der Akkreditierung zu wenig Fokus auf die Forschung gelegt werde, befürchtet Müller, dass das Medizinstudium auf "Berufsschulniveau" heruntergefahren wird. Das wiederum schade dem guten Ruf der Med-Uni Wien im Ausland.

Auch für Busek bildet die Landsteiner-Uni eine Ausnahme unter den privaten, sie sei ein "Grenzfall". Das Studium werde auf Englisch angeboten, und ihre Daseinsberechtigung begründe sich nicht darin, die ärztliche Versorgung in Niederösterreich sicherzustellen. Was Busek aber unerwähnt lässt: Die Landsteiner-Universität vergibt Stipendien für Studierende mit Wohnsitz in Niederösterreich. Außerdem werden die Studiengebühren deutlich geringer, wenn sich die Studierenden verpflichten, in Niederösterreich zu praktizieren.

Med-Uni Wien im Clinch mit Sigmund-Freud-Uni

Wenig Freude hat Rektor Müller mit der Sigmund-Freud-Universität in Wien, die als "Konkurrenz zur Med-Uni aufgezogen" wurde. Seit Herbst gibt es dort die Möglichkeit, Human- und Zahnmedizin zu studieren. Besonders stört ihn, dass versucht werde, seine habilitierten Mitarbeiter anzulocken. Hier möchte Müller eingreifen und eine Konkurrenzklausel einführen, um diese Praxis zu unterbinden. (Marie-Theres Egyed, 5.4.2016)