Berlin – Nach der Aufdeckung von 214.000 Briefkastenfirmen in Panama hat die Industrieländer-Organisation OECD dem Land schwere Versäumnisse vorgeworfen. "Panama ist der letzte große Verweigerer, der es weiterhin erlaubt, dass Offshore-Fonds vor Steuer-und Strafverfolgungsbehörden versteckt werden", sagte OECD-Generalsekretär Ángel Gurría am Dienstag.

Panama habe sich nicht an Zusagen gehalten, internationale Standards für Steuertransparenz einzuhalten, so Gurría. Die Konsequenzen seien nun öffentlich sichtbar. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) habe die Finanzminister der führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) erst vor einigen Wochen gewarnt, dass Panama einen Rückzieher gemacht habe beim vereinbarten automatischen Informationsaustausch über Finanzgeschäfte.

Gurría forderte Panama auf, auf internationale Standards für Steuertransparenz zu beachten: "Panama muss sein Haus in Ordnung bringen, indem es diese Standards unverzüglich umsetzt." Die OECD ist weltweit der Motor im Kampf gegen Steuerbetrug und -vermeidung.

Cameron unter Druck

Auch der britische Premierminister David Cameron gerät durch die Enthüllungen der "Panama Papers" unter Druck. Der "Guardian" und die BBC berichteten am Dienstag unter Berufung auf Dokumente der panamaischen Finanzkanzlei Mossack Fonseca, dass der auf den Bahamas ansässige Investmentfonds Blairmore Holding von Camerons verstorbenem Vater Ian mit einer komplizierten Konstruktion jahrzehntelang die Zahlung von Steuern vermieden habe.

Cameron-Sprecher: Ist private Angelegenheit

Die Enthüllungen standen in fast allen britischen Zeitungen auf Seite eins. Auf die Frage, ob die Familie des Premierministers weiterhin Vermögen in Offshore-Firmen habe, erwiderte Camerons Sprecher lediglich, es handle sich um eine private Angelegenheit.

Im Jahr 2012, als die ersten Berichte über das Vermögen seines 2010 verstorbenen Vaters erschienen, hatte Cameron die gleiche Antwort gegeben. Ein Regierungssprecher versicherte nun aber, der Premier habe "keinen Anteil an einem Offshore-Fonds".

Corbyn: Eine Regel für die Elite, eine für den Rest

Nach Informationen des "Guardian" beschäftigte Blairmore rund 50 Mitarbeiter auf den Bahamas, um Firmenpapiere zu unterzeichnen und so die britischen Steuergesetze zu umgehen. "In 30 Jahren hat Blairmore niemals einen Penny Steuern auf seine Profite in Großbritannien gezahlt", schrieb die Zeitung. Das Geschäftsmodell war aber nicht illegal, und es gibt keine Hinweise, dass die Camerons in Großbritannien keine Steuern auf zurückgeführte Vermögenswerte zahlten. Die Enthüllungen sind für den Regierungschef aber unangenehm, da er sich als Kämpfer für Transparenz gibt. Im Mai soll er einen Antikorruptionsgipfel in London leiten.

Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn forderte Cameron auf, nicht länger "um den heißen Brei" herumzureden und gegen Steuerhinterziehung vorzugehen. "Es kann nicht zwei Regeln geben, eine für die reiche Elite und eine andere für den Rest von uns. Die Reichen müssen zahlen.

Panama leitet Ermittlungen ein

Nach den Enthüllungen leitet das Land indessen Ermittlungen ein. Es werde geprüft, ob Straftaten vorliegen und von wem sie begangen wurden, teilte die Generalstaatsanwaltschaft am Montag mit. Auch möglicherweise dadurch entstandene finanzielle Schäden würden ermittelt. Zuvor hatte bereits Präsident Juan Carlos Varela die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Regierungen und Ermittlern aus aller Welt erklärt.

Chile: Transparency-Chef tritt zurück

Am Montagabend trat der Chef des chilenischen Ablegers von Transparency International im Zusammenhang mit Kontakten zu mehreren Briefkastenfirmen zurück. Gonzalo Delaveau habe seinen Rücktritt eingereicht, der Vorstand diesen angenommen, teilte die Organisation auf Twitter mit. In den "Panama Papers" wird sein Name in Verbindung mit mindestens fünf Briefkastenfirmen gebracht.

Illegale Machenschaften werden Delaveau in den Dokumenten nicht zur Last gelegt. Allerdings ist Transparency International darauf spezialisiert, Korruption in Unternehmen und Regierungen aufzudecken. Delaveau war für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar.

China geht gegen Ermittlungen vor

Chinas Zensur hat die Enthüllungen über Briefkastenfirmen auch von Verwandten hoher chinesischer Amtsträger indessen online blockiert. Nach Informationen der "China Digital Times" in Hongkong vom Dienstag wies die Zensur die Staatsmedien an, Berichte über die Offshore-Firmen in Steueroasen zu suchen und zu löschen. Es wurde mit ernsten Konsequenzen gedroht, sollten dennoch Informationen auf Webseiten gefunden werden. In sozialen Medien wurde die Suche nach "Panama Papers" und den Namen der Genannten verhindert.

Von dem Panama-Datenleck betroffen sind den Berichten zufolge "Verwandte von mindestens acht gegenwärtigen oder früheren Mitgliedern des Ständigen Ausschusses des chinesischen Politbüros". (APA, Reuters, 5.4.2016)