Eine Carbin-Kette (rot) innerhalb von zwei Kohlenstoffnanoröhren.

Illustration: Lei Shi

Wien – Reiner Kohlenstoff ist in vielen verschiedenen Formen zu finden, die bekanntesten sind Diamant und Grafit. Einzig Carbin, die eindimensionale Form des Kohlenstoffs, konnte noch nie hergestellt werden, obwohl die Existenz einer solchen Kette aus Kohlenstoffatomen schon im Jahr 1885 vom späteren Nobelpreisträger Adolf von Baeyer vorhergesagt wurde.

Dass die Existenz von Carbin bei normalen Bedingungen immer noch nicht bewiesen ist, liegt an der hohen Instabilität: Carbin reagiert blitzartig mit allem. Adolf von Baeyer ging deshalb sogar davon aus, dass die Synthese von Carbin aufgrund seiner extremen Reaktionsfreudigkeit ein schier unmögliches Unterfangen darstelle.

Diese eindimensionalen Kohlenstoffketten gelten gewissermaßen als "Heiliger Gral" der verschiedenen Erscheinungsformen von Kohlenstoff, sagt Thomas Pichler von der Fakultät für Physik der Universität Wien. Doch nun ist ihm gemeinsam mit Erstautor Lei Shi und einem internationalen Team ein Meilenstein auf dem Weg zur Herstellung des rätselhaften Materials in makroskopischen Mengen gelungen.

Carbin aus der Nanoröhre

Wie die Physiker im Fachblatt "Nature Materials" schreiben, haben sie dafür eine neuartige Methode entwickelt: Sie benützten dünne, doppelwandige Kohlenstoffnanoröhren als Schutzmantel, um auf diese Weise Ketten aus mehr als 6000 Kohlenstoffatomen zu erzeugen – der bisherige Rekord betrug etwa 100 Atome.

Carbin ist innerhalb der doppelwandigen Kohlenstoffnanoröhren außerordentlich stabil, was wichtig ist für mögliche Anwendungen. Theoretische Modelle sagen voraus, dass die mechanischen Eigenschaften von Carbin alle bisher bekannten Materialien übertreffen werden, sogar Graphen und Diamant. Andererseits liegt auch in den elektronischen Eigenschaften erhebliches Anwendungspotenzial, unter anderem als magnetische Halbleiter. (tasch, 5.4.2016)