Martin Walsers Romane sind Ereignisse. Immer noch. So sehr er auch von manchen Feuilletons geziehen wird, den immer gleichen alten Wein in neue Schläuche zu füllen, so konstant hat Walser mit seinen letzten Romanen wie Muttersohn, der Aphorismensammlung Meßmers Momente oder den Essays Über Rechtfertigung, eine Versuchung seine Kritiker eines Besseren belehrt. Unverdrossen legt der 89-Jährige, der einmal von sich sagte, er sei kein "Damenkränzchen", fast jährlich ein neues Buch vor.

Am Dienstag liest Walser im Posthof Linz aus dem im Jänner erschienenen Roman Ein sterbender Mann, in dem es um einen Selbstmordkandidaten geht, der das Lebenwollen lernt. Die Hauptfigur des Buches ist der 72-jährige Theo Schadt. Er war einst erfolgreicher Geschäftsmann und ein "Nebenherschriftsteller", der mit Lebenshilfebüchern wie "Schwindelfrei. Anleitung zum Selberdenken" höchst erfolgreich war. Ein – nicht nur die Geschäfte – betreffender Verrat seines besten Freundes wirft ihn dann aus der Bahn und führt ihn in Online-Suizidforen.

Allerdings lernt er ganz real im Tangostudio seiner Frau eine Dame kennen, die einen Lebensneuanfang wert sein könnte. Es ist ein existenziell wuchtiger Roman über unbewältigte Nähe und unüberbrückbare Distanz, den Walser geschrieben hat. In Linz moderierte Christian Schacherreiter. (steg, 3.4.2016)