Der österreichische Regisseur und langjährige Leiter des Wiener Ensembletheaters, Dieter Haspel, ist 72-jährig gestorben.

Foto: Heribert Corn

Wien – Die sich langsam vollziehende Entpolitisierung des Theaters nahm Dieter Haspel schmerzlich zur Kenntnis, wie er in einem Interview mit der Austria Presse Agentur anlässlich seines 70. Geburtstag bekannte. War er doch ein Mensch, der an die Veränderbarkeit der Welt und die Notwendigkeit von Theater als Mittel zur Aufklärung stets glaubte.

Vierzig Jahre lang war Haspel Theaterdirektor, als er 2010 das von ihm mitbegründete Ensembletheater am Petersplatz an die Nachfolger (Garage X) übergab. Gestern, Montag, ist der Alt-68er nach langer schwerer Krankheit in Wien gestorben. Das gab die frühere Ensembletheater-Geschäftsführerin Christine Bauer bekannt. Im Juni wäre Haspel 73 geworden.

Der Arbeitersohn aus Gloggnitz in Niederösterreich, gelernter Kaufmann, gründete 1968 mit Hilde Berger und Götz Fritsch das Cafétheater, aus dem das spätere Ensembletheater hervorging. Am Standort Petersplatz (noch im ehemaligen Café Einfalt) hielt eine politisch motivierte, studentische Theatergruppe mit neuen Texten Einzug; man spielte Autoren wie Wilhelm Pevny, Konrad Bayer, Wolfgang Bauer, Bertolt Brecht. Letzterer war Haspels Lieblingsautor, viele seiner Stücke hat er inszeniert, darunter Im Dickicht der Städte (1974), Baal (1975) oder die Parabel Der gute Mensch von Sezuan (2004).

Er war es auch, der 1976 die legendäre Proletenpassion der Gruppe Schmetterlinge in der Arena inszeniert hat. "Ästhetische Experimente sind für mich uninteressant", meinte Dieter Haspel in einem Gespräch mit dem Falter. "Meine Stärke ist mein politischer Wille." Dieses Credo ließ das Theater Haspels, das zu Beginn in den 1960er- und 1970er-Jahren zu den aufregendsten der Wiener Szene gehörte, später ins Hintertreffen geraten. Nachdem sich die Radikalität der Arbeiten im Kontext neuer Formen abgeschwächt hatte, wurde den Inszenierungen Textlastigkeit und schnöder Realismus vorgehalten.

Welch kraftvolle Arbeiten aber aus Haspels unbeirrbarer Haltung hervorgehen konnten, zeigte noch 2010 seine Gespenster-Inszenierung in der Garage X. Damals stand in der STANDARD-Kritik zu lesen: "Nostalgie, mit Könnerschaft beschworen". (Margarete Affenzeller, 4.4.2016)