Islands Regierungschef Sigmundur Gunnlaugsson gerät nach Bekanntwerden seiner früheren Beteiligung an einer Offshore-Firma unter Druck.

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Reykjavík/Wien – Enthüllungen der "Panama Papers" zufolge soll der isländische Premierminister Sigmundur Gunnlaugsson zusammen mit seiner Ehefrau von 2007 bis 2009 eine Briefkastenfirma besessen haben. Dokumente aus dem Datenleck beim Offshore-Provider Mossack Fonseca zeigen, dass die Firma namens Wintris Inc. unter anderem Gläubiger von Landsbanki, Kaupthing und Glitnir war, drei großen isländischen Banken, die in der Finanzkrise bankrott gegangenen waren. Insgesamt soll sich das Investment der auf den Britischen Jungferninseln ansässigen Firma auf knapp vier Millionen US-Dollar belaufen.

Isländische Abgeordnete sind verpflichtet, Firmenbeteiligungen ab einem Anteil von 25 Prozent anzugeben. Gunnlaugsson verschwieg seinen 50-prozentigen Anteil an Wintris jedoch im April 2009 bei seinem Einzug ins Parlament für die liberale Fortschrittspartei. Am 31. Dezember 2009 verkaufte er seinen Anteil an der Firma für den symbolischen Betrag von einem US-Dollar an seine Frau.

Rücktrittsforderungen

Die Opposition in Island fordert angesichts der Enthüllungen nun vorgezogene Neuwahlen. Ein entsprechender Antrag soll dem Nachrichtenportal "mbl" zufolge noch am Montag im Parlament eingebracht werden. Der Regierungschef müsse "umgehend zurücktreten", forderte Gunnlaugssons sozialdemokratische Vorgängerin Johanna Sigurdardottir am Sonntagabend auf ihrer Facebook-Seite. Indem er sein Geld in einem Steuerparadies angelegt habe, habe Gunnlaugsson "sein Misstrauen" gegenüber der isländischen Währung und Wirtschaft ausgedrückt.

In der Bevölkerung wächst ebenfalls der Unmut über Gunnlaugsson. Bereits mehr als 25.000 Isländer haben eine Onlinepetition für den Rücktritt des Premiers unterschrieben. Auch Demonstrationen waren angekündigt: Mehrere tausend Menschen wollten sich am Montagabend vor dem Parlament versammeln. Gunnlaugsson lehnt einen Rücktritt allerdings ab.

Konfrontation im TV-Interview

Im Zuge der "Panama Papers"-Recherche wurde Gunnlaugsson am 11. März vor laufender Kamera von Reykjavik Media und dem schwedischen Fernsehsender SVT gefragt, ob er jemals eine Offshore-Gesellschaft besessen habe. Darauf antwortete er: "Ich? Nein." Die isländischen Firmen, mit denen er zusammengearbeitet habe, hätten Verbindungen zu solchen Gesellschaften gehabt. "Aber ich habe immer mein Vermögen und das meiner Familie steuerlich angegeben. (...) Ich kann bestätigen, dass ich meine Vermögenswerte nie verschleiert habe."

Quelle: Falter Verlag / SVT und Reykavik Media

In weiterer Folge des Interviews wird Gunnlaugsson speziell auf die Firma Wintris angesprochen und kommt ins Straucheln. Seine Frau habe einen Teil davon verkauft, eine Bank habe die Verantwortung übernommen. "Ich weiß nicht, wie diese Dinge funktionieren", versucht er sich zu rechtfertigen. Alles sei aber korrekt in seiner Steuererklärung vermerkt. "Hier wird etwas verdächtig gemacht, was nicht verdächtig ist", konstatiert er und verlässt mit den Worten "Das ist vollkommen unangebracht" das Interview.

Quelle: The Guardian / SVT und Reykavik Media

Vier Tage nach dem Interview bezog Gunnlaugssons Frau Anna Sigurlaug Pálsdóttir auf Facebook Stellung. "Das Vorhandensein der Firma war niemals ein Geheimnis", erklärte sie. Es sei ein Investmentvehikel für Gelder gewesen, die sie beim Verkauf des Familienunternehmens erhalten habe. Gunnlaugsson sei nur aufgrund eines Fehlers der Bank als Miteigentümer aufgeschienen. Dieser Fehler sei 2009 korrigiert worden. Wintris habe zudem alle nötigen Steuern bezahlt.

Ein Sprecher Gunnlaugssons erklärte in einem schriftlichen Statement, dass Gunnlaugsson und seine Frau "mit der Einrichtung der Gesellschaft nicht gegen isländisches Gesetz verstoßen" hätten. Alle Anlagen und Einkommen seien "in isländischen Steuererklärungen seit 2008 deklariert".

Von den Enthüllungen betroffen sind auch Finanzminister Bjarni Benediktsson und Innenministerin Ólöf Nordal. Deren Briefkastenfirmen dürften aber in den vergangenen Jahren inaktiv gewesen sein. Beide Minister gehören der konservativen Unabhängigkeitspartei an, Benediktsson ist auch deren Chef.

Neuwahlen nach dem Bankencrash

Anfang 2009 hatte der damalige Regierungschef Geir H. Haarde (Konservative) nach dem Bankencrash die Verantwortung für das Desaster übernommen. Er trat zurück und machte den Weg frei für Neuwahlen. Diese brachten Island für vier Jahre eine rot-grüne Regierung. Diese heftete sich unter anderem den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen. Auch Gunnlaugsson hatte nach seinem Wahlsieg 2013 angekündigt, den Kampf gegen Korruption und Verfilzung weiterführen zu wollen.

Dass ein großer Teil der isländischen Finanz- und Wirtschaftselite Konten auf der Jungferninsel Tortola besaß und wohl immer noch besitzt, war Insidern bereits seit langem bekannt. In den Jahren seit dem Crash wurden mehrere der einstmals als Wunderwuzzis hofierten isländischen Banken-Manager zu Haftstrafen unterschiedlichen Ausmaßes verurteilt. (ast, maa, 4.4.2016)