Ein neuer Krisenherd wird heiß. Zwischen den Kaukasusrepubliken Armenien und Aserbaidschan sind die seit 22 Jahren heftigsten Gefechte um die von beiden Seiten beanspruchte Region Bergkarabach ausgebrochen. Die dutzenden Opfer, die der wiederaufflammende Konflikt innerhalb der ersten zwei Tage gefordert hat, könnten dabei nur der Vorbote eines viel größeren Infernos sein, wenn es nicht gelingt, die Kampfhandlungen schnell wieder einzufrieren.

Die neuen heftigen Gefechte kamen für die Weltöffentlichkeit wohl vor allem deshalb überraschend, da sie derzeit ihr Augenmerk auf andere Konflikte in der Nachbarschaft – sprich Ukraine und Syrien – gerichtet hält. Die Spannungen im Kaukasus sind aber nicht geringer geworden. Im Gegenteil: Der Ausbruch neuer Kämpfe war eigentlich logisch, weil alle politischen Lösungsansätze seit Jahren aufgegeben wurden. Russland als regionaler Hegemon mit Vermittlerambitionen hat seine Friedenspolitik auf das Prinzip "Waffenlieferungen an beide Kriegsparteien" beschränkt, um – so das russische Außenministerium – das Gleichgewicht der Kräfte in der Region zu wahren. Ein sehr fragwürdiger Ansatz.

Die nun von (fast) allen Seiten, darunter auch Russland, gestarteten Aufrufe an Baku und Eriwan, doch bitte wieder lieb zu sein, werden wohl kaum ausreichen, den Funken ganz zu ersticken. Dazu bedarf es ernsthafter Diplomatie. Diese Versuche laufen derzeit in Moskau zumindest an. Gerade Russland hat nämlich durchaus ernsthaftes Interesse daran, das Feuer nicht zu einem Flächenbrand werden zu lassen: Weitet sich der Konflikt aus, droht Russland, durch einen Beistandsvertrag an Armenien gebunden, involviert zu werden. Keine verlockenden Aussichten für den Kreml, dessen Truppen bereits an anderen Fronten im Einsatz sind.

Aserbaidschan ist militärisch zwar kein Gegner für Russland, auf aserbaidschanischer Seite könnte aber das Nato-Mitglied Türkei in den Krieg eintreten. Ankara hat bereits ungewöhnlich offen in dem Konflikt Stellung bezogen und einseitig die armenischen Kampfhandlungen verurteilt.

Die Stimmung zwischen den Herrschern an der Moskwa und dem Bosporus ist nach dem Abschuss eines russischen Jets durch die Türken ohnehin angespannt. Bisher hat sich der Kreml auf einen Krieg gegen türkische Tomaten beschränkt. (André Ballin, 3.4.2016)