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Foto: Reuters/David McNew

Wien – Im Gegensatz zu gewachsenen Einzelhandelsgebieten, wie etwa Einkaufsstraßen, werden Einkaufszentren als Einheit geplant und verwaltet. Ziel des Betreibers ist es, eine möglichst hohe Kundenfrequenz sicherzustellen. Neben der Erreichbarkeit und dem Design des Zentrums kommt es dafür auch auf die richtige Zusammenstellung der Geschäfte an.

In Verträgen zwischen Betreibern von Einkaufszentren und Mietern finden sich regelmäßig Bestimmungen, die sicherstellen sollen, dass dieses Ziel erreicht wird. So können Betreiber ihren Mietern untersagen, in einem gewissen Umkreis um das Einkaufszentrum weitere Geschäfte zu betreiben ("Radiusklausel"). Umgekehrt können Ankermieter Einfluss auf die Zusammenstellung der Geschäfte im Einkaufszentrum erlangen, beispielsweise indem ihnen ein Zustimmungsrecht zur Vermietung von Geschäftsflächen an Dritte eingeräumt wird.

Durch derartige Klauseln wird die Freiheit des Mieters bei der Standortwahl oder umgekehrt die Freiheit des Betreibers bei der Vergabe von Geschäftslokalen eingeschränkt. Die kartellrechtliche Behandlung derartiger Klauseln war jedoch lange unklar.

In seinem Urteil in der Sache Maxima Latvija hat der Europäische Gerichtshof nun für eine wichtige Klarstellung gesorgt (EuGH 30. 11. 2015 C-345/14). Maxima ist eine der größten lettischen Supermarktketten. Eine Reihe von Einkaufszentren hatte Maxima als Ankermieterin Zustimmungsrechte zur Vermietung von Geschäftsflächen an Dritte eingeräumt. Die lettische Wettbewerbsbehörde erachtete diese Klauseln als "bezweckte" Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne des Kartellverbots. Solche Klauseln gelten als wettbewerbswidrig, ohne dass es einer Prüfung ihrer Auswirkungen bedarf.

EuGH widersprach Behörde

Der EuGH kam in seinem Urteil zu einem gegenteiligen Ergebnis. Derartige Zustimmungsrechte seien nicht schon ihrem Wesen nach als schädlich für das gute Funktionieren des Wettbewerbs anzusehen. Sie können daher nicht als bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen qualifiziert werden. Zustimmungsrechte wie die Maxima eingeräumten verstoßen vielmehr nur dann gegen das Kartellverbot, wenn eine detaillierte Prüfung des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs ergibt, dass sie erheblich zur Abschottung des Marktes beitragen.

Dies entspricht den Urteilen des Obersten Gerichtshofs zu Radiusklauseln, also Klauseln, die es Mietern untersagen, in einer gewissen Distanz um das Einkaufszentrum weitere Geschäfte zu betreiben. Zwar hat der OGH bisher eine Festlegung, ob es sich dabei um "bezweckte" Wettbewerbsbeschränkungen handelt, unterlassen. Im Ergebnis hat er die vom Kartellgericht durchgeführte detaillierte Prüfung der Auswirkungen solcher Klauseln, welche bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen nicht erforderlich wäre, jedoch bestätigt.

Auch nach Maxima Latvija ist bei der Vertragsgestaltung Vorsicht geboten, insbesondere wenn die Parteien selbst über hohe Marktanteile verfügen oder derartige Klauseln auch von ihren wesentlichen Wettbewerbern angewendet werden. Das Urteil des EuGH hat aber große Bedeutung für die Beweislast. In von einer Wettbewerbsbehörde eingeleiteten Verfahren muss die Behörde den Nachweis wettbewerbswidriger Auswirkungen erbringen.

Mindestens so wichtig ist aber die Bedeutung für Verfahren zwischen Betreiber und Mieter: Jene Partei, die sich auf die Wettbewerbswidrigkeit einer solchen Klausel beruft, trifft hierfür auch die Beweislast. Eine Vermutung, dass solche Klauseln gegen Kartellrecht verstoßen und damit nichtig sind, besteht nicht. (Heinrich Kühnert, 4.4.2016)