Ein Griff auf den Po, anzügliche Sprüche oder eindeutige Gesten: Wohl jede Frau kennt solche Situationen, auch wenn nicht alles gleich ein sexueller Übergriff ist. Unangenehm und eine Belästigung sind solche Erlebnisse allemal. Tausende Frauen schildern derzeit ihre Erfahrungen unter dem Hashtag "#imzugpassiert" via den Kurznachrichtendienst Twitter.

Diese vielen Erfahrungsberichte zeigen, wie alltäglich Sexismus in allen möglichen Ausprägungen im 21. Jahrhundert mitten in Europa noch immer ist. Und sie zeigen: Nicht nur muslimische Männer haben ein Problem im Umgang mit Frauen, wie nach den Übergriffen in der Silvesternacht von Köln häufig behauptet worden ist.

Ausgelöst wurde die Diskussion durch eine Ankündigung der Mitteldeutschen Regionalbahn, dass sie in Zügen zwischen Leipzig und Chemnitz künftig Abteile für Frauen zur Verfügung stellen will. Damit sollen vielfach beklagte sexuelle Belästigungen von Frauen im Zug verhindert werden.

Die Reaktionen auf die Debatte legen bloß, wie notwendig die öffentlichen Diskussionen sind, die sich im deutschsprachigen Raum ausbreiten. Sie sind ein Nachhall der "#aufschrei"-Schilderungen, die eine Journalistin mit ihrem Bericht über den Umgang eines Politikers mit ihr im Jänner 2013 ausgelöst hat. In Österreich wurde im Vorjahr über das Thema in Zusammenhang mit der Verschärfung des sogenannten "Pograpsch-Paragrafen" debattiert. Noch in Erinnerung sind Tweets des Abgeordneten Marcus Franz, der sich beklagte: "Ob der Popsch hält, was der Blick verspricht. Das erfahren zu wollen wird nun bestraft." Schließlich habe er so seine Frau kennengelernt: "Pograpschen kann übrigens zur Hochzeit führen."

Seither hat sich offenbar nicht viel geändert. Von überraschend vielen Männern wird das Thema als übertrieben oder unnötig bezeichnet. "Ist "#imzugpassiert" jetzt der neueste Versuch, Männer mal wieder als triebgesteuerte Machoschweine zu beschreiben?", twittert @aurhurhey. Frauen, die Erfahrungen teilen, werden beleidigt, als Mimosen oder Witzfiguren dargestellt. Es findet eine Umkehr statt: Die Opfer sind das Problem, nicht die Täter bzw. deren Taten. Deshalb trauen sich viele noch immer nicht, ihre Erlebnisse zu schildern.

Es geht auch nicht darum, Männer generell als potenzielle Sextäter darzustellen – wie dies etwa in Zusammenhang mit arabischstämmigen Männern nach den Kölner Vorfällen gemacht wurde. Es ist kein "Tugendfuror" oder eine Hetzjagd gegen Männer, wenn darüber öffentlich diskutiert wird.

Die Debatte sollte auch nicht nur über Sexismus geführt werden. Dass Jahr für Jahr Österreich EU-weit auf einem der letzten Plätze landet, wenn es um gleiche Bezahlung von Männern und Frauen für den gleichen Job geht, bewirkt nicht einmal mehr einen Aufschrei. In den USA haben nun Mitglieder des Frauen-Fußballnationalteams eine Beschwerde bei ihrem Verband angekündigt. Sie wollen sich nicht mehr damit abfinden, dass sie weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen – obwohl sie mehr Erfolg haben.

Es braucht solche Schritte, und der Aufschrei vieler ist berechtigt. Debatten über diese Themen sollten dazu führen, dass das Bewusstsein und die Sensibilität geschärft werden im Umgang miteinander und dass geschlechtsspezifische Ungerechtigkeiten nicht länger schweigend hingenommen werden. (Alexandra Föderl-Schmid, 1.4.2016)