Foto: Regine Hendrich

Wut ist schon lange der Lieblingsaffekt unserer turbulenten Zeitläufte. Anders als der Neid, den man lieber für sich behält, eignet sich Wut auch gut für die medienwirksame öffentliche Darbietung. So gesehen kam der "Wut-Auftritt" ("Österreich"), den der greise Nationalbaumeister Richard Lugner in der ZIB 2 hinlegte, keineswegs überraschend.

In einer erwartbaren Mixtur aus Werbung für seine hoffnungslosen Präsidentschaftsambitionen und Kollateralwerbung für die nach ihm benannte "City" gab Lugner den politverdrossenen Wutnigl, der den faulen und verstrittenen Volksvertretern im Fall des Falles die Wadln einmal ordentlich nach vorne richten würde.

Wut-Ritchie reiht sich damit in eine lange Reihe von Wüterichen ein, die ihren emotionalen Überschwang geschickt in publizistische oder politische Erfolge umgemünzt haben, allen voran der deutsche Bestseller-Zornbinkel Thilo Sarrazin, der 2010 behauptete: "Deutschland schafft sich ab."

Reihe von Wütenden

Sarrazin folgten ganze Kohorten von Schwererzürnten wie etwa der germano-türkische Wut-Berserker Akif Pirinçci ("Deutschland von Sinnen") oder die dauererboste "Krone"-Kolumnistin und "Wut-Oma" Frida Nagl (auf keinen Fall mit "Sex-Oma" Elfriede Vavrik verwechseln!). Auch der amerikanische Politschrecken Donald Trump stellt sich ständig so dar, als müsste er vor Wut gleich aus der Haut fahren.

Wut ist ansteckend, was schon die Etymologie des Wortes zeigt. Es stammt von "woda" ab (germanisch "besessen, erregt"), welches sich seinerseits vom indogermanischen Verb "wat" herleitet ("anblasen, anfachen" sowie "inspirieren"). Der Göttername Wotan, verrät uns Kluges Etymologiebibel, gehöre auch zu dieser Sippe ("Wotan = "der Inspirierte").

Dass sich ein Wut-Präsident Lugner sehr inspirierend auf das Wohlbefinden der Österreicher auswirken würde, ist kaum wahrscheinlich. Vielleicht aber hat er mit seinem Wut-Auftritt als Kandidat im Fernsehen wenigstens den einen oder anderen Affektstau bei den Staatsbürgern gelindert. Das ist dann ja auch schon ein bisschen etwas. (Christoph Winder, 3.4.2016)