Es gibt ein paar Dinge, die machen fast alles besser, womit sie in Berührung kommen – allen voran weiße Trüffel und Miso. Ich gebe mir große Mühe, beide so weit wie möglich regelmäßig zu genießen, mit unterschiedlichem Erfolg. Die Trüffel widersteht hartnäckig allen Kultivierungsversuchen, kostet ein Schweinegeld und ist nur zu bestimmten Zeiten zu haben. Während der Pilz bei uns als Köstlichkeit anerkannt und gewürdigt ist, führt Miso immer noch ein bisschen ein Schattendasein. Dabei ist es theoretisch sogar zu Hause und aus heimischen Zutaten machbar.

Der Christoph Fink, unter anderem Koch der schwedischen Botschaft, und ich haben das nun ausprobiert. Derzeit reifen beim Herrn Fink in der Küche acht verschiedene Misos aus Tiroler Gerste und Waldviertler Sojabohnen, dazu ein Kübel Heringsmiso, außerdem haben wir eine Art Steak-Miso probiert. Zumindest Letzteres war bereits ein Erfolg.

Foto: Tobias Müller

Miso ist das feste Äquivalent zu Soja- und Fischsauce, bloß noch viel vielseitiger einsetzbar – ein universaler Köstlichmacher. Kulturen, die es benutzen – allen voran die Japaner –, kennen fast unendlich viele Variationen. Es ist weniger eine Zutat als ein ganzes Genre, ähnlich wie Wein, Bier oder Brot. Sein Geschmack reicht von süß bis salzig, manche haben ausgeprägte Alkoholnoten, andere schmecken fruchtig, erdig oder fleischig.

Misos können hellgelb oder dunkelstbraun sein, eine cremige Konsistenz wie weiche Butter haben oder fest und bröckelig sein wie kalte Erdnussbutter mit Stücken drin. Allen gemeinsam ist ihr Talent, alles, womit sie in Berührung kommen, viel besser schmecken zu lassen.

Ein Miso-Fachgeschäft in Tokio.
Foto: Tobias Müller

Der richtige Schimmelpilz

Die Unterschiede kommen vor allem von den vielen verschiedenen Ausgangsmaterialien und Reifezeiten; Miso kann aus jeglichem Getreide und jeglicher Hülsenfrucht gemacht werden. Die häufigsten Zutaten sind Reis, Gerste und Sojabohnen, daneben gibt es aber auch Misos aus Kichererbsen und Saubohnen (etwa die chinesische Doubanjiang).

Die westliche Kochtradition kennt keine Entsprechung für Miso. Am ehesten ähnelt es vielleicht gereiftem Schimmelkäse und Salami – beides von Pilzen vergorene Proteine –, aufgrund seiner Konsistenz und Geschmacksmischung aus salzig, umami und süß ist es universeller einsetzbar und wandlungsfähiger (die meisten Salamis etwa lassen sich eher schlecht in Suppen integrieren, Blauschimmel ist eher nicht geeignet, darin Gemüse einzulegen).

Miso verdankt sich vor allem dem Schimmelpilz Aspergillus oryzae. Wenn er auf Getreide oder Hülsenfrüchte losgelassen wird, spalten seine Enzyme einerseits die Stärke darin in Zucker auf (ein sehr ähnlicher Prozess wie die Technik des Mälzens und Maischens beim Bierbrauen); andererseits helfen sie später bestimmten Bakterien, die Proteine in Peptide und Aminosäuren zu zerlegen. Daneben ernähren sich zahlreiche Bakterien auf den Zutaten, etwa Milchsäurekulturen, von diesen Zuckern und produzieren dabei köstliche Säuren. All das führt dazu, dass einst fade Körner sich in die vielleicht geschmackvollste Paste der Welt verwandeln.

Weil die chinesisch-japanisch-koreanischen Küchen sich gerade in der gehobenen Gastronomie so fröhlich mit der westlichen mischen, hat auch Miso Boden gutgemacht. Köche wie David Chang mit seinem höchst erfolgreichen Momofuku-Imperium haben viel dazu beigetragen, genauso wie die Herren vom Nordic Food Lab, quasi der Entwicklungsabteilung des Noma. Die experimentieren seit Jahren mit neuen Misos aus Zutaten aus ihrer Weltgegend. Der Herr Fink und ich wollen da auch mitspielen.

Der Herr Fink ist Zubereiter so großartiger Dinge wie getrocknetes Sauerkraut (die österreichische Antwort auf Sojasauce), Gerstenmalzbutter (eines der ganz wenigen Dinge, die noch besser sind als Butter) und Hefecrumble (Glutamat trifft Dessert) – kurz, ein erfahrener Schöpfer von Köstlichkeiten. Ein eigenes Miso zu machen ist da so etwas wie der logische nächste Schritt. Weil das aber gar nicht so einfach ist, wir ein paar Rückschläge einstecken mussten, etwas anderes probieren wollten und etwas A. oryzae übrighatten, haben wir den Pilz noch, siehe oben, auf Fisch und Fleisch losgelassen.

Vorab ein schnelles Steak und ein paar Fische

Was A. oryzae mit seinem Nährboden tut, ist nicht so anders als der Prozess, der beim Trockenreifen von Fleisch abläuft. Deswegen haben wir einen Teil unseres Pilzpulvers (Koji, siehe unten) auf ein ordentliches Stück drei Wochen gereiften Rostbraten gestreut. Zur Kontrolle haben wir vom selben Braten ein Steak unbehandelt aufgehoben. Nach einer Woche haben wir beide Steaks gewaschen und gebraten. Von der Mürbheit her waren beide gleich – sonst aber waren die Unterschiede erstaunlich.

Foto: Tobias Müller

Das unbehandelte Steak hat einen säuerlichen, leicht verrotteten Geruch entwickelt und einmal gebraten einfach alt und drüber geschmeckt, so wie man das von zahlreichen Beisl-Rostbraten kennt. Dem Koji-Steak ist dieses Schicksal erspart geblieben, der Pilz hat Milchsäure- und andere Bakterien ferngehalten. Außerdem hatte es ausgeprägte Noten von Käse und Foie gras und einen starken Umami-Geschmack – eben ähnlich wie ein sehr lange gereiftes Stück Fleisch. Weitere Experimente mit dem Koji-Beef sollen folgen.

Angeregt durch dieses Koji-chovy-Experiment haben wir auch ein paar Heringe mit dem Pilzpulver gemischt, ordentlich gesalzen (15 Prozent) und in einen Kübel geschichtet. Nach einer Woche hat das Salz nun ordentlich Wasser aus dem Fisch gezogen, es riecht angenehm und leicht nach Fisch.

Foto: Christoph Fink

Des Herrn Fink Co-Köchin, die von den Philippinen kommt, hat gemeint, es rieche ganz richtig, genauso wie bei ihr zu Hause, wenn Bagoong Isda gemacht wird – ein schönes Kompliment. Verkosten werden wir erstmals im September.

Foto: Christoph Fink

Und jetzt zu den Miso-Zutaten

Fürs Misomachen brauchen Sie drei Dinge: A. oryzae, Hülsenfrüchte und/oder Getreide und Salz. Der Fink schaut gerade, ob wir für die kommenden Versuche einen heimischen wilden Schimmelpilz verwenden können (Hinweise werden dankbarst angenommen) – vorerst aber haben wir uns A. oryzae online bestellt. Meistens werden getrocknete Sojabohnen geliefert, auf denen der Pilz kultiviert wurde, bis er Sporen gebildet hat.

In Japan werden vor allem Reis und Sojabohnen zu Miso verarbeitet, es gibt aber auch diverse regionale Varianten aus anderen Bohnen oder Gerste. Soweit ich das überblicke, kann man so ziemlich jede Hülsenfrucht und jedes Getreide zu Miso verarbeiten, solange sie einen gewissen Proteingehalt haben.

Wir haben mit vier verschiedenen Rohstoffen experimentiert: mit Tiroler Imperial-Gerste, einer alten Sorte, die in den Bergen auf über 1.200 Metern gedeiht, Sojabohnen aus dem Waldviertel, steirischen Wachtelbohnen und ordinärem Bio-Buchweizen. Daraus haben wir acht verschiedene Misos kombiniert.

Foto: Christoph Fink

Erst das Koji, dann das Miso

Miso wird in zwei Schritten hergestellt: Erst wird gedämpftes Getreide oder eine Hülsenfrucht – meist Gerste oder Soja – mit A. oryzae geimpft und so lange warm und feucht gehalten, bis der Pilz ordentlich ausgetrieben hat und alles mit einem hübsch weißen Flaum überzogen ist.

Foto: Tobias Müller

Das vermehrt den Pilz und bringt ihn dazu, jene Enzyme zu produzieren, die später die Proteine und Peptide in Köstlichkeiten zerlegen. Das Ergebnis nennt sich Koji und ist quasi die Misostarterkultur. Anschließend wird das Koji mit mehr gedämpften Hülsenfrüchten oder Getreide und jeder Menge Salz gemischt und mehrere Monate oder Jahre reifen gelassen.

Das Salz tötet den Pilz, verhindert, dass sich unerwünschte Bakterien vermehren, und sorgt so dafür, dass sich die Mikroflora etabliert, die der Misomacher haben will.

Vor allem das Kojimachen hat seine Tücken: Das geimpfte Getreide muss bei etwa 30 Grad gehalten werden, damit der Pilz gut wächst, gleichzeitig darf es aber nicht über 38 Grad bekommen, sonst stirbt er ab. Wir haben unser Koji beim ersten Versuch für zwei Tage in einen Niedertemperaturofen mit 30 Grad geschoben – das Problem bei dem Gerät ist allerdings, dass es zwar heizt, wenn es weniger als 30 Grad erreicht, aber nicht kühlt, wenn es heißer wird.

Foto: Tobias Müller

Die Kulturen erzeugen aber, wenn sie sich einmal ausgebreitet haben, jede Menge Wärme – unser Koji hatte, als wir es nach 48 Stunden geprüft haben, knapp über 40 Grad und einen alkoholisch bis sauren Geruch. Dafür war nicht einmal der Ansatz eines weißen Teppichs zu sehen. Wir haben es in den Kübel gekippt und nochmals begonnen. Beim zweiten Anlauf haben wir es 24 Stunden im Ofen gelassen, damit der Pilz einmal loslegen kann. Danach hatte es ideale 30 Grad und der Fink hat es einmal ordentlich durchgemischt. Die nächsten 24 Stunden hat es dann in der Küche zwischen ein paar Blechen zwecks Isolierung verbracht.

Dieses Modell hat hingehauen: Nach 48 Stunden hatte die Mischung heikle 37 Grad und war mit zartem weißem Schimmel überzogen. Außerdem hat es süß nach Ananas geduftet. Einzig die etwas schleimig-nattoartige Konsistenz hat mich leicht beunruhigt. Wir haben sowohl die Tiroler Gerste als auch den Buchweizen geimpft und in Koji verwandelt, dann haben wir beides einmal mit Sojabohnen, einmal mit Wachtelbohnen gemischt – also insgesamt vier Misos gemacht.

Anschließend hat der Herr Fink es mit dem Rest der Bohnen und Gerste sowie dem Salz gemischt und in Kübel gepackt. Jetzt reift es einmal mindestens sechs Monate. Im September gibt es dann erste Kostnotizen.

Schritt für Schritt

Für Miso brauchen Sie zum Beispiel:
1 Kg Gerste (oder Buchweizen)
1 Kg Sojabohnen (oder Wachtelbohnen)
60 Gramm Trockenkoji
als Starter etwa 600 Gramm Salz (11,5 Prozent des Gesamtgewichts vom frischen Koji und den gedämpften Bohnen)

Weichen Sie ihre Gerste über Nacht in reichlich Wasser ein, am kommenden Tag dämpfen Sie sie 90 Minuten, oder bis sie einigermaßen weich ist. Lassen Sie das Getreide auf 35 Grad herunter kühlen. Zerkleinern Sie Ihr Trockenkoji (wir haben dafür einen Thermomix genommen, aber ein Mörser und ein kräftiger Unterarm tut's wohl auch).

Foto: Tobias Müller

Verteilen Sie den Staub über der gedämpften Gerste und mischen Sie alles ordentlich durch, entweder mit behandschuhten Händen oder einem sehr sauberen Löffel.

Foto: Tobias Müller

Decken Sie die Mischung mit einem feuchten Geschirrtuch (ausgekocht) ab, und stellen Sie es entweder in einen Inkubator (ideal) oder eine gut isolierte Thermobox an einem warmen Ort.

Nach 24 Stunden mischen Sie Ihr Koji durch und messen die Temperatur: Hat es weniger als 27 Grad, heizen Sie es vorsichtig auf, etwa im Backofen, hat es mehr als 35 kühlen Sie es herunter, etwa mit einem kalten Wasserbad.

Foto: Tobias Müller

War es eher warm (30+), lassen Sie es die kommenden 24 Stunden bei Zimmertemperatur stehen, war es eher kühl (28-) packen Sie es weiterhin in die Thermobox. Nach 48 Stunden sollte sich ein schöner weißer Teppich gebildet haben. Ist das nicht der Fall, warten Sie einfach weitere 12 bis 24 Stunden.

Weichen Sie die Sojabohnen einige Stunden in Wasser ein und dämpfen Sie sie dann so lange, bis Sie sie mit den Fingern zerdrücken können, wieder etwa 90 Minuten. Pürieren Sie sie und mischen Sie sie mit dem Koji und dem Salz ordentlich durch. Packen Sie alles in saubere Plastikkübel (oder, wenn Sie Traditionalist sind, Zedernholz-Fässer) und drücken Sie es kräftig hinein, sodass möglichst keine Luftblasen darin zurück bleiben. Decken Sie es ab, sodass kein Staub hinein, aber Gärgase hinaus können und lassen Sie es an einem kühlen Ort mindestens sechs Monate stehen. Viel Erfolg! (Tobias Müller, 3.4.2016)

Foto: Christoph Fink