Vojislav Šešelj im März bei einer Demonstration gegen Serbiens Regierung.

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Den Haag – Der serbische Ultranationalist Vojislav Šešelj ist am Donnerstag vom Uno-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag freigesprochen worden. In keinem der neun Anklagepunkte sei eine Verantwortung Šešeljs für Verbrechen gegen Kroaten und Muslime erwiesen, urteilte das Gericht ungewöhnlich deutlich. "Mit diesem Freispruch ist Vojislav Šešelj ein freier Mann", erklärte der Vorsitzende Richter Jean-Claude Antonetti. Šešelj wurden unter anderem Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.

Laut Anklage war Šešelj während der Balkankriege in den 90er-Jahren an der Ermordung und Vertreibung zehntausender bosnischer und kroatischer Zivilisten in Serbien, Bosnien und der Vojvodina beteiligt. Sie hatte insgesamt 28 Jahre Haft gefordert.

Kroatiens Premier: Urteil ist "beschämend"

Šešelj war bereits vor rund eineinhalb Jahren aus der Haft entlassen worden. Er hatte mit seinem schlechten Gesundheitszustand nach einer Krebserkrankung argumentiert. Die Verkündung des Urteils fand am Donnerstag ohne den Angeklagten statt. Der 61-Jährige hatte sich geweigert, wieder in die Niederlande zu reisen. 2003 hatte er sich dem Gericht selbst gestellt, danach war er bis 2014 in Untersuchungshaft gesessen. Er sei "mit der Sache fertig", hatte er zu Medien gesagt, zudem müsse er sich auf den laufenden serbischen Wahlkampf konzentrieren. Šešelj ist Vorsitzender der Radikalen Partei (SRS).

Kroatien hatte zuletzt mehrfach kritisiert, dass sich Šešelj in Serbien frei bewegen und sogar politisch betätigen konnte, und in diesem Zusammenhang mit einer Blockade der serbischen EU-Beitrittsgespräche gedroht. Premier Tihomir Orešković meldete sich auch am Donnerstag schnell mit Kritik am Urteil zu Wort. Dieses sei "beschämend" und eine Niederlage für das UN-Tribunal, sagte er kroatischen Medien.

Šešelj fordert Millionenentschädigung für "all das Leid, das ich ertragen musste"

Der Freigesprochene selbst äußerte sich zwiespältig zu dem Urteil: Ausdrücklich lobte er bei einer Pressekonferenz in Brüssel die "Professionalität und die Ehre" der Richter, die "über allen politischen Druck erhaben" seien. Zugleich nutzte Šešelj die Gelegenheit, um erneut das Gericht zu beschimpfen. Es handle sich um "ein antiserbisches Gericht in der Hand der westlichen Mächte", das "juristisch keinerlei Bedeutung" habe.

Für seine über zwölfjährige Untersuchungshaft beim UN-Tribunal habe er bereits jetzt eine Klage auf Haftentschädigung in Höhe von zwölf Millionen Euro laufen. Nun werde er möglicherweise zwei Millionen zusätzlich verlangen, so Šešelj. "Für all das Leid, das ich ertragen musste."

In der vergangenen Woche hatte der Gerichtshof in Den Haag den früheren bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic unter anderem wegen Völkermords im Zusammenhang mit dem Massaker von Srebrenica mit 8000 Toten zu 40 Jahren Haft verurteilt. (red, 31.3.2016)