Wien – Zeige mir deine Eltern, und ich sage dir deinen Bildungsstand: Dieser Satz gilt in Österreich besonders, wenn es nach der internationalen OECD-Bildungsstudie "Education at a Glance" geht. Für 2015 zeigt die Studie, dass nur 21 Prozent der 25- bis 34-Jährigen Österreicher einen Bildungsaufstieg schaffen, also eine bessere Ausbildung abschließen als ihre Eltern. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 32 Prozent. Die Aussagekraft dieser Zahlen zweifelt nun eine Studie des liberalen Thinktanks Agenda Austria an.

Foto: apa/Hochmuth

Unter dem Titel "Österreich, Land der Bildungsaufsteiger" analysiert Studienautor Wolfgang Feller die Daten und Erhebungsmethoden der OECD und kommt bei einem Pressegespräch am Mittwoch zu dem Schluss: "Es schaut überhaupt nicht so schlecht aus, wie die Studie nahelegt."

Feller kritisiert vor allem die Bildungsstufen, anhand derer die OECD die Daten analysiert. Von ihnen gibt es drei:

  • bis maximal Pflichtschulabschluss (also Volksschule, Neue Mittelschule, AHS-Unterstufe oder polytechnische Schule),
  • höhere Schulen (inklusive Lehre, berufsbildende mittlere und höhere Schulen, Matura) und
  • tertiäre Ausbildung (also Universitäten, Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen, Sozialakademien, aber auch die Meisterprüfung).

Die Konsequenz: Wenn der Vater eine Lehre abgeschlossen hat und die Tochter maturiert, ist das laut der OECD-Studie kein Bildungsaufstieg. Umgekehrt: Wenn die Mutter eine Meisterprüfung hat und der Sohn Matura macht, wäre das sogar ein Abstieg. Ein weiterer Kritikpunkt Fellers: In der von der OECD untersuchten Alterskohorte (25 bis 34 Jahre) haben zehn Prozent ihre Ausbildung noch gar nicht abgeschlossen.

Für die Studie wurde deshalb eine neue Methode gewählt. Feller unterscheidet darin fünf Ausbildungsstufen: Pflichtschule, Lehre und berufsbildende mittlere Schule, Schulen mit Maturaabschluss (inklusive Meisterprüfung), Akademien (Pädagogische Akademie, Sozialakademie) und Universitäten beziehungsweise Fachhochschulen. Untersucht werden 35- bis 44-Jährige. Das Ergebnis: 45 Prozent der Österreicher haben einen höheren Bildungsabschluss als ihre Eltern.

In einer Stellungnahme der OECD-Pressestelle heißt es zum STANDARD, dass das Ziel der Studie breite Kategorien seien und keine Detailerhebungen. Auf diese Weise habe man auch für jedes Land in jeder Bildungsstufe genug Daten, um sie mit anderen vergleichen zu können.

Die Studie der Agenda Austria macht zudem darauf aufmerksam, dass die Vererbung der Bildung in den bisherigen Studien aus der Sicht der Elterngeneration und nicht aus jener der Kindergeneration dargestellt wurde. Analysiert wird also, welchen Bildungsstand die Eltern weitergeben, und nicht etwa, wie hoch der Anteil an Akademikern ist, die aus einer Akademikerfamilie stammen. Auch hier hat Feller eigene Berechnung angestellt. Das Ergebnis ist erneut, dass die Vererbung weniger drastisch ausfällt.*

Mit den Daten der Piaac-Studie, einer OECD-Erhebung der Kompetenzen von Erwachsenen, hat Feller eine eigene Berechnung zur Bildungsmobilität in Österreich erstellt. Hier zeigt sich, dass 23 Prozent der 25- bis 44-Jährigen mit einem akademischen Abschluss aus Akademikerfamilien kommen. Umgekehrt haben 10,1 Prozent der Kinder, deren Eltern einen Pflichtschulabschluss haben, eine Hochschule absolviert (siehe Grafik).

Grafik: Standard

Feller sieht deshalb vor allem bei gering ausgebildeten Familien sehr wohl Hindernisse in der Bildungsmobilität. Um diese zu verbessern, schlägt er mehr Investitionen in die frühkindliche Ausbildung vor. Zudem müssten Elementarpädagogen akademisch ausgebildet werden, und es brauche bundesweite Mindeststandards für die Qualität der Ausbildung und Betreuung im Kindergarten.

Die Statistik Austria hält die Studie und die Schlüsse, die daraus gezogen werden, für problematisch, heißt es auf Nachfrage des STANDARD. Die Gruppe der Personen mit einer Akademie als höchstem Bildungsabschluss sei etwa sehr klein und werde deshalb von der Statistik Austria selbst nicht ausgewiesen. (Lisa Kogelnik, 30.3.2016)