Brüssel/Wien – Der Umweltausschuss des Europaparlaments hat sich vergangene Woche gegen eine Wiederzulassung von Glyphosat ausgesprochen, solange nicht alle Bedenken über die krebserregenden und hormonellen Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels ausgeräumt sind.
In einem mit 38 gegen sechs Stimmen und 18 Enthaltungen verabschiedeten Entschließungsantrag verlangen die Mitglieder des Ausschusses von der EU-Kommission die Offenlegung aller Studien, die dem positiven Glyphosat-Gutachten der Behörde für Lebensmittelsicherheit zugrunde liegen.
Der Antrag, über den das Parlamentsplenum im April abstimmen wird, hat keinen Einfluss auf den Prozess der europaweiten Wiederzulassung von Glyphosat. Er sendet aber ein politisches Signal an die EU-Kommission und vor allem an den Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel, der nach derzeitigem Stand am 18. und 19. Mai über die Verlängerung abstimmen soll.
Warnung vor rechtlichem Vakuum
Wie die Abstimmung der Experten aus den 28 EU-Mitgliedsstaaten über die Verlängerung bis 2031 ausgeht, ist derzeit nicht absehbar. Österreich und Deutschland wollten sich zuletzt ihrer Stimmen enthalten. Mindestens 55 Prozent der EU-Länder, die gleichzeitig auch 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung repräsentieren, müssten sich dafür oder dagegen stimmen, damit die erforderte qualifizierte Mehrheit erreicht wird.
Sollte es zu keiner qualifizierten Mehrheit kommen, wird die EU-Kommission entscheiden. Sie warnte im Vorhinein vor einem rechtlichen Vakuum, wenn die derzeitige Zulassung im Juni ausläuft.
Die österreichische Industriegruppe Pflanzenschutz (IGP) rechnet nicht damit, dass es dazu kommen wird, sondern geht von einer positiven Entscheidung für die Zulassungsverlängerung aus. Die Entscheidung sei keine politische und werde aufgrund von wissenschaftlichen Fakten gefällt, welche eindeutig seien, so ein Vertreter des IGP.
Uneinigkeit bei EU und UN-Institutionen
Die Entscheidung über die Verlängerung hat die Debatte über das weltweit meistgenutzte Pestizid auf die Spitze getrieben. UN- und EU-Institutionen, aber auch Wissenschafter und Politiker sind sich über dessen gesundheitliche Auswirkungen uneinig.
Die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation stuft Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Damit widerspricht sie der Einschätzung des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung – Deutschland ist EU-Berichterstatter für die gemeinschaftliche Prüfung und Bewertung von Glyphosat – auf der wiederum die Unbedenklichkeitsbewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) beruht.
Verlängerung für längstmöglichen Zeitraum angestrebt
Rund 100 Wissenschafter, darunter Epidemiologen, Toxikologen und Statistiker, bezeichneten die Bewertung der Efsa zuletzt in einem offenen Brief als fehlerhaft. Einige Europaabgeordnete werfen der EU-Kommission angesichts der umstrittenen Datenlage einen Verstoß gegen das Vorsorgeprinzip vor. Der tschechische Abgeordnete Pavel Poc, der den Entschließungsantrag des Umweltschutzausschusses entworfen hat, verlangt zudem eine Erklärung, warum trotz Kritik eine Verlängerung für den längstmöglichen Zeitraum von 15 Jahren angestrebt wird.
Glyphosat ist das weltweit meistverwendete Pestizid. Seit 1974 ist es in vielen Pflanzenschutzmitteln enthalten, die in der Landwirtschaft und im privaten Gebrauch eingesetzt werden. (29.3.2016)