Hunderte Menschen wurden in den vergangenen Wochen gerettet, für dutzende Personen kam jede Hilfe aber zu spät. Mit dem Ende der Winterstürme auf dem Mittelmeer nehmen die Versuche meist afrikanischer Migranten wieder zu, mit oft schrottreifen Booten die gefährliche Überfahrt von Libyen nach Italien zu wagen. Das Geschehen auf der Balkanroute hat jenes auf der zentralen Mittelmeerroute, das sich vor allem im Sommer abspielt, aus den Schlagzeilen verdrängt. An der Problematik hat sich aber nichts geändert.

Von den hunderttausenden in Libyen wartenden Migranten sind fast alle bereits vor Monaten illegal aus Niger oder Algerien eingereist; über seit Jahren fest etablierte Schlepperrouten. Unter Diktator Muammar al-Gaddafi hatten Hunderttausende aus dem subsaharischen Afrika in Libyen gearbeitet. Auch heute suchen viele eine Beschäftigung im Ölstaat, entweder um sich dort niederzulassen oder um Geld für die Überfahrt nach Europa zu verdienen.

In den vergangenen 18 Monaten, seit das Land zerfällt und Anarchie und Gesetzlosigkeit herrschen, hat sich ihre Lage noch einmal drastisch verschlechtert. Polizei und Milizen verlangen von aufgegriffenen Migranten, dass sie sich freikaufen. Der Tarif liegt in der Regel bei 1000 libyschen Dinar, umgerechnet etwa 663 Euro.

Nothilfe in Haftzentren

Kriminelle überfallen Migranten und rauben sie aus, Arbeitgeber bezahlen oft keine Löhne. Weil es keine funktionierende staatliche Autorität gibt, sind die Migranten dieser Willkür schutzlos ausgeliefert. Tausende sind deshalb effektiv gestrandet. Die IOM hat über Rückführungsprogramme Hunderte in Länder wie Burkina Faso, Äthiopien, Nigeria, Togo oder Mali ausgeflogen. In Haftzentren leistet die IOM Nothilfe.

Die Fluchtroute von Libyen nach Europa – unterhalten von Milizen und Stämmen – beginnt auf dem westlichen Küstenabschnitt, der von der international nicht anerkannten, islamistisch geprägten Regierung in Tripolis kontrolliert wird. Die Zusammenarbeit mit dieser Administration, die ausländische Einmischung strikt ablehnt, ist äußerst schwierig. Das Thema Migranten steht nicht auf ihrer Prioritätenliste, zudem fehlt es ihr an Geld, um den Küstenschutz auszubauen. Erst wenn es gelingt, mit einer Einheitsregierung die politische Spaltung Libyens zu überwinden, steigt auch die Chance, dass die Migrantenfrage zusammen mit der EU angegangen werden kann.

Die EU drängt deshalb auf eine politische Lösung der libyschen Krise, die auch 300.000 Binnenvertriebene zur Folge hatte, die die Fluchtbewegung noch verstärken könnten. Die EU befürchtet außerdem, dass sich unter die Migranten auch Mitglieder der Terrormiliz "Islamischer Staat" mischen könnten, die in Libyen immer stärker Fuß fasst. (Astrid Frefel, 28.3.2016)