Zusammenarbeit in Unternehmen sieht gewöhnlich nicht aus wie dieses Gedränge. Aus dem Rugby kommt allerdings die Bezeichnung für eine Methode des neuen Arbeitens.

Foto: iStock

Denkt man an klassische Zusammenarbeit in Unternehmen, haben wahrscheinlich nur wenige Menschen dabei ein Rugby-Match vor Augen. Eine Standardsituation aus diesem Spiel verleiht aber einer – gar nicht mehr so neuen – Organisationsform ihren Namen: Im angeordneten Gedränge, auf Englisch "scrum", wird das Spiel nach kleineren Regelverstößen neu gestartet. Die Spieler stellen sich gegenüber auf, binden und drücken auf Anordnung des Schiedsrichters. Vom Sportplatz ins Unternehmen übertragen meint die Analogie, dass Teams als kleine, selbstorganisierte Einheiten arbeiten und von außen nur eine Richtung vorgegeben bekommen – die Taktik, wie sie das Ziel erreichen, bestimmen die Teams aber selbst.

Verantwortung leben

Unternehmer, die sich dafür entschieden haben Prozesse nicht mehr hierarchisch, sondern agil zu gestalten, sprechen gerne vom "Ende des Managements, wie wir es kennen." So auch Gerhard Hammer. Seit 1994 ist er Geschäftsführer des Softwareunternehmens Apus, wo flache Hierarchien und kollegiale Umgangsformen seit jeher selbstverständlich gewesen seien, wie allgemein in der Branche. "Es gab bei uns aber ein Unwohlsein, wohin sich unsere Gesellschaft bewegt", erinnert sich Hammer. Fragen nach Vision und Mission des Unternehmens wurden immer wichtiger – Stichwort: sinnstiftende Arbeit -, und er fand in der Kreiskultur einen Lösungsansatz, auch im Unternehmen Verantwortung zu leben.

Das Miteinander ist bei Apus in Form von Kreisen organisiert – Mitarbeiter würden sich auf Augenhöhe begegnen, nur durch Vertrauen und Kooperation könne der Kreis zusammengehalten werden. Pathetisch? Das kennt Hammer: "Wir sind gerne prophetisch unterwegs und erzählen auch anderen Unternehmern, wie bei uns gearbeitet wird." Dabei stoße er meist auf Interesse und Neugierde. Positiv sei auch das Feedback der Mitarbeiter gewesen, sehr wenige hätten kein Verständnis gehabt. "Es war kein radikaler Prozess, und er dauert noch an", sagt Hammer.

Scrum und Holacracy

Ein konkretes Beispiel ist Scrum in der Mitarbeiterführung statt klassischer Mitarbeitergespräche. Das Feedback wird dort in kleinen Teams retrospektiv, persönlich und viel öfter gegeben. "Der Chef ist ja nicht immer derjenige, mit dem man zu tun hat."

Auch Holacracy läuft auf ein neues Organisieren von Arbeit hinaus. Melanie Vones, Senior Consultant beim IT- und Marketingunternehmen Netcentric, arbeitet seit 1,5 Jahren damit. Zentrales Element sei dabei die hohe Selbstverantwortung. Es gebe keine Führungspositionen mehr, was auch die zentrale Herausforderung darstelle: "Sich für agiles Arbeiten zu entscheiden heißt Macht abzugeben, denn die Idee dahinter ist Selbstorganisation und Distribution von Macht." Für Vones liegt hier auch der Grund, warum viele Unternehmen noch hierarchisch funktionieren – Manager wollen sich nicht selbst abschaffen. Mit dem zunehmenden Aufsteigen von Millenials in Unternehmen könnte das bald zu Ende sein, denn unter den Jungen gibt es laut diverser Studien einige, die Zusammenarbeit und Führung anders leben wollen. Und: Ganz so radikal ist es meist doch nicht, Positionen und Rollen bleiben bestehen, nur muss nicht mehr so oft grünes Licht eingeholt werden.

Viele Werkzeuge, ein Werk

Bei Netcentric sei die Umstellung teils gar nicht so einfach gewesen, erinnert sich Vones. Schließlich sei man entweder Führungsperson gewesen und gewohnt, Entscheidungen zu treffen, oder Angestellter und dabei vor allem mit Umsetzung beschäftigt. "Jeder soll Entscheidungen treffen, Konsens ist kein Wert, der bei dieser Methode angestrebt wird", sagt Vones.

Holacracy, Scrum oder Kreiskultur sind dabei unterschiedliche Bezeichnungen für eine Richtung. Vones vergleicht es mit Kunst: Wasserfarben und Buntstiften seien unterschiedliche Werkzeuge, aber mit beiden könne man malen.

Sich überlappende Kreise

Die Holokratie geht auf Brian Robertson zurück – 2007 schrieb er das erste "Manifest". Kernaussage: Unternehmen sollten aus überlappenden Kreisen bestehen – Teams von Mitarbeitern, die spontan zusammenkommen und gemeinsam an einer Aufgabe arbeiten. In den USA sorgt der Modeversand Zappos mit etwa 1500 Mitarbeitern für das bekannteste Beispiel. CEO Tony Hsieh stellte nach längerer Experimentierphase unlängst ein Ultimatum: Wer sich nicht vorstellen kann, holokratisch zu arbeiten, solle gehen – inklusive einer Abfertigung in Höhe von drei Monatsgehältern. Zehn bis 15 Prozent der Mitarbeiter verließen Zappos. Hsieh begründete die extreme Entscheidung damit, dass nicht jeder für diese Art von Arbeiten gemacht sei – das betonen auch Vones und Hammer. Agile Methoden kosten viel Energie und Einsatz, wie bei einem Gerangel eben üblich. (Lara Hagen, 29.3.2016)