Newark – In den Karstsystemen der thailändischen Provinz Mae Hongson lebt ein bemerkenswerter Fisch: Der knapp drei Zentimeter lange Cryptotora thamicola aus der Ordnung der Karpfenartigen ist blind und pigmentlos – soweit noch nichts Ungewöhnliches für einen Höhlenbewohner. Allerdings trägt der Fisch nicht umsonst auch den Spitznamen "Wasserfall-Kletterer".
Forscher des New Jersey Institute of Technology (NJIT) haben den Fisch nun näher untersucht und festgestellt, dass er tatsächlich eine Art Gehen bewerkstelligt und damit auch Hindernisse überwinden kann. Das gelingt ihm, da er einige Merkmale aufweist, die an die Anatomie von Landwirbeltieren erinnern: Das Becken und die Wirbelsäule erlauben es ihm, sein Gewicht zu tragen, und bieten große Stellen, an denen zum Gehen notwendige Muskeln ansetzen können, sagt Brooke Flammang vom NJIT.
Laut den Forschern können genaue anatomische Studien von Cryptotora thamicola dazu beitragen, sich ein besseres Bild von der Ära vor ca. 420 Millionen Jahren zu machen, als die ersten Wirbeltiere an Land gingen. Deren Flossen mussten sich schon zuvor zu beinartigen Gliedmaßen entwickelt haben. Die wenigen heute noch lebenden Fleischflosser – Lungenfische und Quastenflosser – lassen dies heute noch erahnen.
Die Anatomie von Cryptotora thamicola ist aber deshalb so bemerkenswert, weil er nicht zu den Fleischflossern zählt, aus denen auch die Landwirbeltiere hervorgingen. Er ist wie die weit überwiegende Mehrheit der Knochenfische ein Strahlenflosser, gehört damit nicht zu unserer Verwandtschaft und hat diese Anatomie unabhängig entwickelt. (red, 28. 3. 2016)