Fragen über das Vergessen laden zur Ausstellung über Demenz.

Foto: Aktion Demenz

Bregenz – Birgit Sieber, Lehrerin, mag die Irritation. Ihre Erfahrung: "Wenn man Menschen irritiert, kommt man mit ihnen ins Gespräch." Sie steht als Fragestellerin mit einer weißen Tafel in der Bregenzer Fußgängerzone. "Werden Katzen auch dement?" steht auf der Tafel.

"Die Leute gehen vorbei und schmunzeln", freut sich Birgit Sieber. Einzelne wollen wissen, was die Frage soll. Ein Herr, er deklariert sich als Katzenkenner, hat auch eine klare Antwort: "Sicher nicht!" Ein alter Mann würde gerne über die Frage plaudern, darf aber nicht. Man solle den Vater ja nicht in ein Gespräch verwickeln, verlangt die Tochter, er müsse jetzt zum Mittagessen gehen.

Angst vor dem Vergessen

"Ja, manchmal vergesse ich mich", sagt eine alte Frau mit schelmischen Lachen zu Lisa Pfefferkorn. Die Studentin steht mit der Frage "Wann vergessen Sie sich und die Zeit?" vor ihr, ermuntert die Passantin durch aufmerksames Zuhören zum Weiterreden. 74 sei sie, sagt die Frau. "Ich merke, dass ich mehr vergesse als früher." Nicht schlimm sei das, "aber Angst macht das schon".

Lisa Pfefferkorn staunt über die Offenheit und Freundlichkeit der Passanten. "Sonst grüßt man sich ja nicht einmal." Die junge Frau, sie studiert Sozial- und Gesundheitsmanagement, wird ihre Erfahrungen aus der Aktion in ihrer Bachelorarbeit zum Thema Demenz verarbeiten.

"Wissen Sie noch, wo sie vorgestern waren?" steht auf einer weiteren Tafel. "Na ganz sicher nicht", sagt der alte Mann, der interessiert die Tafel betrachtet. Seine Frau: "Wichtiger ist, dass du noch weißt, wo wir gerade waren. Wo waren wir?" Der Mann lacht: "Wir waren essen." "Sehr gut!", lobt die Gattin. Geschichten wie diese sammelt die "Fragestellerei" dieser Tage in Bregenz.

Da war doch noch was

Wahrnehmungen zum Thema Demenz werden durch diese leise Intervention beobachtet und gesammelt. Die Aktion soll aber auch auf die Ausstellung "Da war doch was! Demenz ganz nah" im Vorarlberg-Museum neugierig machen. Ab 1. April wird das Museumsfoyer zum Ort der Auseinandersetzung über Demenz.

"Im besten Fall wird klar, dass Vergessen alltäglicher ist, als auf den ersten Blick vernutet", sagt Mark Riklin, Schweizer Szenograph, der die Bregenzer Aktion dirigiert. Seine Hoffnung: "Solche Erkenntnisse könnten das Verständnis für Menschen, die vom schleichenden Prozess des Vergessens betroffen sind, erweitern."

Mit 1.000 Wassergläsern, deren Inhalt im Lauf der Zeit verdunstet, symbolisiert die Künstlerin Kirsten Helfrich dieses Entschwinden der Erinnerung.

Aktion Demenz zur Bewusstseinsbildung

Die Initiative zur Ausstellung ging von der "Aktion Demenz" aus. Seit 2007 arbeiten über 30 Institutionen und Einzelpersonen, finanziert über den Sozialfonds von Land und Gemeinden, auf verschiedenen Ebenen an tolerantem und wertschätzendem Umgang mit Demenzkranken. Ihre Vision: Menschen mit Demenz sollen am öffentlichen und sozialen Leben ungehindert teilhaben können. Mittlerweile haben sich 33 Modellgemeinden der Aktion angeschlossen.

Ein Schwerpunkt der Bewusstseinsbildung ist die Arbeit mit jungen Menschen. So haben 280 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Schillerstraße ein "Erinnerungsbuch" gestaltet. Seit Monaten fragten dafür die Jugendlichen nach der wichtigsten Erinnerung. Sie halten die Antworten in Texten, Zeichnungen, Collagen fest. Nachzulesen im Erinnerungsbuch, handgeschrieben auf handgeschöpftem Papier.

Besucherinnen und Besucher können die Ausstellung auf einer Erinnerungswand durch eigene Erinnerungsstücke ergänzen. Während der gesamten Dauer der Ausstellung werden Fachleute für Gespräche zur Verfügung stehen. Daniela Egger, Koordinatorin der "Aktion Demenz", begleitet die Ausstellung mit einem Blog. (Jutta Berger, 24.3.2016)