Vom Smartphone bis zum Supercomputer: In praktisch allen Bereichen dominiert mittlerweile Linux als Betriebssystem. Einzig am Desktop ist es bisher nicht gelungen, die Dominanz von Microsoft zu brechen. Für jene, die sich mit Linux anfreunden können, gibt es in der freien Desktop-Welt aber trotzdem eine Vielzahl an guten Optionen, eine der beliebtesten entspringt dabei dem GNOME-Projekt. Und diese kann nun wieder mit einer neuen Release aufwarten.

Update

GNOME 3.20 versammelt die Neuerungen der letzten sechs Monate, und kann so wieder mit einigen zentralen Verbesserungen aufwarten. Ein besonderer Schwerpunkt der aktuellen Entwicklung ist die Unterstützung von Wayland, und damit jenes Protokolls, das künftig den klassischen X-Server zur Grafikausgabe ablösen soll.

GNOME 3.20 bringt einige Neuerungen für den Linux-Desktop.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Wayland

Im Test zeigt sich schnell, dass sich hier im Vergleich zur letzten GNOME-Version jede Menge getan hat. So funktioniert nun Drag & Drop korrekt, auch Start-Benachrichtigungen für Desktop-Programme werden jetzt unterstützt. Für viele Linux-Desktop-Nutzer wohl noch wichtiger: Das schnelle Kopieren und Einfügen mittels Klick auf den mittleren Mausknopf wurde ebenfalls unter Wayland nachgereicht. Neu ist zudem die Möglichkeit den Mauszeiger zu beschränken, was vor allem für Spiele wichtig ist, und über die Qualität des bei X.org Gebotenen geht man mit tatsächlich funktionstüchtigen Touchpad-Gesten hinaus. Dazu kommt eine Fülle von Fehlerbereinigungen.

Nicht von Haus aus

Und doch hat man sich in letzter Minute einmal mehr dagegen entschieden Wayland zur Default-Wahl zu machen. Entscheidend war hier, dass weiterhin die eine oder andere Funktion im Vergleich zum X-Server fehlt. Allen voran geht es dabei darum, über das Netzwerk auf den Desktop zugreifen zu können. Dazu kommen einige Defizite im Bereich Barrierefreiheit wie das Fehlen einer On-Screen-Tastatur. Wer Wayland trotzdem ausprobieren will, kann eine entsprechende Sitzung beim Login wählen. Und im Unterschied zur letzten Version ist das Ganze mittlerweile auch bereits alltagstauglich – so man denn mit den erwähnten Defiziten leben kann.

Fotos bearbeiten

Doch auch jenseits dieses Umbaus an der Basistechnologie hat GNOME einiges Neues zu bieten. So kann die Bilderverwaltung Photos jetzt mit einfachen Editierfunktionen aufwarten. Dies reicht vom Zuschneiden von Bildern über die Anpassung von Farbe, Helligkeit oder Schärfe bis zur Möglichkeit, das Ergebnis in reduzierter Größe für die Web-Nutzung abzuspeichern. Als Gimmick hat man zudem diverse Filter aufgenommen, wie sie Foto-Services wie Instagram populär gemacht haben.

GNOME Photos hat nun eine Editierfunktion.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Systemupgrade

Eine wichtige Neuerung hat die Softwarezentrale des Desktops erhalten: GNOME Software kann nun nämlich auch Betriebssystem-Updates durchführen. Künftig kann dann also etwa von einer Fedora-Version auf die nächste über die grafische Oberfläche aktualisiert werden, bisher musste man hierfür auf die Kommandozeile zurückgreifen. Um die Suche nach neuen Programmen zu erleichtern, ist es nun möglich, Kommentare und Bewertungen abzugeben.

Ebenfalls neu: Der Support für xdg-apps, eine Desktop-übergreifende Initiative, die die Auslieferung von Software unter Linux vereinfachen soll. Dabei werden Pakete geschnürt, die Distributions-unabhängig genutzt werden können, und über eine Sandbox vom restlichen System isoliert werden. Derzeit befindet sich das Ganze noch in einem experimentellen Stadium, wer sich damit aber schon einmal auseinandersetzen will, sei auf den Blog von Hauptentwickler Alexander Larsson verwiesen.

Musik-Steuerung

Für die Kernelement des Desktops ist die GNOME Shell zuständig, und diese hat ebenfalls das eine oder andere neue Feature erhalten hat. So kann über den Benachrichtigungsbereich nun die Musik-Wiedergabe gesteuert werden. Dabei hält man sich an den MPRIS-Standard, diese Funktion sollte also mit allen gängigen Musik-Playern zusammenarbeiten.

Musiksteuerung im Benachrichtigungsbereich.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Karten

Besonders viele Neuerungen hat GNOME Maps erfahren. So lassen sich hier nun Routen ausdrucken, es wird das Einfügen zusätzlicher Darstellungsebenen in den KML- und GPX-Formaten unterstützt, und die Anzeige kann als PNG abgespeichert werden. Das große neue Feature ist aber die Möglichkeit, direkt aus GNOME Maps heraus die verwendeten Karten des OpenStreetMaps-Projekts zu editieren und so zur Verbesserung des Services beizutragen.

Nautilus

Der Dateimanager hat eine vollständig neu gestaltete Suchfunktion erhalten. Über diese lassen sich die Ergebnisse flott nach Dateitypen und Zeitraum eingrenzen. Passend dazu wurde an der Performance der Suchfunktion gefeilt, die Relevanz der Ergebnisse soll ebenfalls verbessert worden sein. Die Dateiansicht wirkt dank einiger Optimierungen am Abstand zwischen den einzelnen Objekten sowie dem Erstellen von Vorschaubildern nun deutlich aufgeräumter. Außerdem wurden diverse bislang versteckte Optionen direkt in die grafischen Einstellungen des Dateimanagers übernommen. Darunter etwa die Möglichkeit Verzeichnisse vor Dateien zu sortieren.

Beim Dateimanager wurde die Suchfunktion erheblich ausgebaut.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Mehr Privatsphäre

Die Kalenderanwendung des Desktops verbessert den Umgang mit Zeitzonen, zudem wurde die Jahresansicht neu gestaltet. In den Systemeinstellungen hat sich ebenfalls einiges getan. So wurden die Maus- und Touchpad-Einstellungen neu gestaltet, desweiteren müssen Programme nun einzeln von den Nutzern die Genehmigung für den Zugriff auf Standortinformationen einholen. Eine weitere Privacy-Verbesserung ist, dass der GNOME im Zusammenspiel mit dem NetworkManager 1.2 beim Scannen nach WLAN-Netzen die MAC-Adresse des Rechners fälscht. Damit wird eine eindeutige Identifizierung deutlich erschwert. Bei den Display-Einstellungen kann nun eine Bildwiederholrate gewählt werden, und die Druckerwarteschlangenansicht wurde einem Redesign unterzogen.

Tastatur-Shortcuts

Eine Desktop-weite Initiative ist die Aufklärung über die bei einem Programm verfügbaren Tastatur-Shortcuts. Ein solcher Dialog kann wahlweise über Strg-F1 oder Strg-? aufgerufen werden. Der Support ist dabei derzeit noch nicht vollständig, einige zentrale Apps wie der Dateimanager oder auch der Texteditor Gedit sind aber schon mit dabei. Eine genaue Liste zum aktuellen Stand gibt es im GNOME Wiki.

Neu in GNOME 3.20: Viele Anwendungen informieren nun über Tastatur-Shortcuts.
Screenshot: Andreas Proschofsky / STANDARD

Look

Der Feinschliff am optischen Auftritt von GNOME manifestiert sich in der aktuellen Release über einige Verbesserungen an der Desktop-Schrift Cantarell sowie am Default-Theme. Letzeres übrigens auf Basis des grundlegend neu gestalteten CSS-Supports im Toolkit GTK+ 3.20. Dieser soll nun zwar wesentlich einfacher zu nutzen sein, zunächst heißt dies aber, dass Theme-Autoren ihre Kreationen für die neue Version anpassen müssen. In Zukunft soll diese Format aber stabil bleiben, versichern die GNOME-Entwickler.

Vermischtes

Beim GNOME-eigenen Chat-Programm Polari können jetzt Bilder direkt mithilfe von Imgur eingefügt werden. Zudem wurde der Dialog für die Server Properties überarbeitet und es wird nun der /msg-Befehl unterstützt. Die Virtualisierungslösung Boxes erstellt in der neuen Version automatisch beim Anlegen einer neuen virtuellen Maschine einen Snapshot, um das Zurückkehren auf den Ausgangszustand zu erleichtern. Der Browser Web warnt bei GNOME 3.20 vor nicht verschlüsselten Seiten, außerdem wurde die Sitzungswiederherstellung verbessert und es gibt ein neu gestaltetes Popover für Downloads. Und der Dconf-Editor, mit dem versteckte Einstellungen administriert werden können, wurde gleich vollständig renoviert und kann nun mit einem Bookmark-Feature für den Schnellzugriff auf oft genutzte Settings aufwarten. Entwickler dürfen sich über einige Verbesserungen an GNOME Builder freuen. Dazu gehört die Unterstützung für xdg-apps ebenso wie ein neues Plugin-Framework.

GNOMEDesktop

Download

GNOME 3.20 steht wie gewohnt in Form des Source Codes der Einzelkomponenten auf der Seite des Projekts zur Verfügung. Zudem wird es schon bald in die Entwicklungsversionen zahlreicher Distributionen einfließen. Mit der jetzigen Veröffentlichung wird natürlich auch der Startschuss für die Entwicklung von GNOME 3.22 gegeben, das nach der aktuellen Planung im September erscheinen soll. Für dieses steht unter anderem die vollständige Umgestaltung der Systemeinstellungen auf dem Plan, zudem wird man es einmal mehr mit dem Umstieg auf Wayland als Default-Option probieren. (Andreas Proschofsky, 23.3.2016)