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Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg: Trotz guter Voraussetzungen beanspruchte die Integration viel Zeit.

Foto: S.M./SZ-Photo/Picturedesk

Wien – 90.000 Menschen haben in Österreich im Vorjahr um Asyl angesucht. Wie viele davon bleiben werden, ist unsicher, genauso wie es um ihre Integrationsaussichten steht. Forscher schauen daher gerne in die Vergangenheit, um Aussagen treffen zu können. Eine neue Analyse zeigt jetzt, dass Integration auch unter wesentlich günstigeren Umständen als heute viel Zeit beansprucht.

Das Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW) hat sich die erzwungene Migration von Millionen Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg angesehen. Um die zwölf Millionen Menschen mussten aus ehemaligen Gebieten des Deutschen Reiches und aus Mittel- und Osteuropa wegziehen, wo sie wegen der Gewaltherrschaft der Nazis großen Anfeindungen ausgesetzt waren. Acht Millionen dieser sogenannten Heimatvertriebenen landeten in Westdeutschland.

Schlechtere Jobs

Wie ist die Integration dieser Menschen gelaufen? Eigentlich waren die Aussichten zu Beginn gut: Alle Zuwanderer sprachen Deutsch und waren ähnlich gebildet wie die einheimische Bevölkerung. Trotzdem landeten viele in der Arbeitslosigkeit. Sie waren fünf Jahre nach dem Krieg drei Mal so häufig arbeitslos wie schon länger in Deutschland lebende Menschen, sagt Sebastian Braun, der Autor der Studie.

Es dauerte etwa 15 Jahre, bis die Lücke geschlossen wurde. "Wir hatten damals aber Vollbeschäftigung", sagt der Ökonom zum STANDARD. Trotz Nachkriegsboom und kaum vorhandener kultureller Differenzen waren die deutschen Zuwanderer selbst 1970 noch viel eher in einfachen, schlechter bezahlten Jobs angestellt.

Für Österreich gibt es keine ähnliche Erhebung, sagt der Migrationsexperte August Gächter. Hunderttausende seien aber nach dem Krieg aus dem Sudetenland, Slowenien und Siebenbürgen zugewandert.

Keine Verdrängung

Die Untersuchung aus Deutschland legt nahe, dass Migration auch ohne Sprachhemmnisse und große kulturelle Unterschiede eine riesige Herausforderung für die Betroffenen ist. Die Studie zeigt aber noch etwas anderes: Bis zu einer gewissen Anzahl an Migranten in einer Region wurden keine Einheimischen aus dem Jobmarkt verdrängt, sagt der Ökonom Braun. Erst wenn die Vertriebenen über 15 Prozent der Bevölkerung ausmachten, seien Effekte auf die Arbeitslosigkeit von Einheimischen auszumachen.

"Das war überraschend", sagt Braun. Denn die ökonomische Literatur zeige: Je mehr Zuwanderer Einheimischen in ihrer Ausbildung ähneln, desto eher treten sie am Arbeitsmarkt in Konkurrenz. Die Migration nach dem Krieg erfüllte eigentlich alle Kriterien, um für Verdrängung zu sorgen. Eine gut laufende Wirtschaft kann also massenhaft Jobs für Zuwanderer liefern, ohne Probleme für Einheimische zu schaffen. In den 1960ern bemühte sich Deutschland ja dann sogar zusätzlich um die Anwerbung von Gastarbeitern aus dem Ausland.

Zuerst Deutsch lernen

Aber was lässt sich daraus für die heutige Situation ableiten? "Der Flüchtlingsstrom jetzt dürfte erst recht keine negativen Effekte auf die Beschäftigung Einheimischer haben", sagt Braun. Denn Flüchtlinge müssten erst einmal Deutsch lernen und seien wegen ihrer schlechteren Qualifikation keine Konkurrenz für Einheimische.

Die Wirtschaft boomt zwar nicht wie in der Nachkriegszeit, läuft aber trotzdem gut. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie nie zuvor. Aber auch für Österreich, wo die Konjunktur noch schlechter läuft und die Arbeitslosigkeit auf einem Rekordhoch statt -tief ist, erwartet der IfW-Ökonom keine große Konkurrenz am Arbeitsmarkt durch den Flüchtlingsandrang des Vorjahrs.

Mammutaufgabe Integration

Am ehesten würden die Flüchtlinge mit schon länger im Land lebenden Ausländern in den Wettbewerb treten. Das zeige auch die deutsche Erfahrung: Zuwanderer nach dem Krieg hätten vor allem untereinander um Jobs konkurriert. Schon jetzt steigt in Österreich unter anderem wegen der hohen Migration aus Osteuropa die Arbeitslosigkeit unter bestimmten Migrantengruppen wie den Türken stark an.

Die Arbeitslosigkeit unter Österreichern ist im Februar im Gegenzug sogar bereits wieder gesunken. 2014 lag die Arbeitslosenquote unter Türken bei 15,5 Prozent, unter Österreichern bei 4,6 Prozent. Auch wenn Verdrängung insgesamt kein großes Thema sein werde, sagt der Ökonom Braun, sei die Herausforderung für die Integration der Flüchtlinge jedenfalls groß.

"Generell haben es Leute mit wenig Ausbildung schwer, Jobs zu finden, unabhängig von ihrer Nationalität." Flüchtlinge würden darüber hinaus oft Qualifikationen mitbringen, die nicht unbedingt gebraucht werden. "Da sollte man sich keine Illusionen machen", so Braun. (Andreas Sator, 22.3.2016)